Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
jungen Frauen zu halten, die bei Ihnen Schulden haben, oder nicht?«
    »In der Tat«, gab Brewster zu, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. »Aber vielleicht muss es dazu gar nicht kommen. Bei deinem schauspielerischen Talent könntest du auch als Tänzerin in einem meiner Lokale arbeiten. Es gibt immer Möglichkeiten.«
    Er grinste breit, und Cyn sah sich einmal mehr Hilfe suchend nach ihrem Vater um.
    Der Horace Pence, den sie gekannt hatte, wäre ihr spätestens jetzt zur Seite gesprungen, hätte ihre Ehre verteidigt und Brewster hinausgeworfen – doch jener Mann, der dort stand, begnügte sich damit, weiter apathisch vor sich hin zu starren. Ihrer aller Schicksal schien ihm gleichgültig geworden zu sein, und Cyn wusste nicht, was sie mehr entsetzte: die Tatsache, dass dieses Schwein Brewster sie wie ein Stück Ware betrachtete, die er aus der Konkursmasse übernahm, oder dass ihr Vater ihr so fremd geworden war.
    »Gehen Sie«, verlangte sie tonlos von Brewster, ihre Tränen nur noch mit größter Mühe zurückhaltend. »Verlassen Sie dieses Haus, sofort!«
    »Dieses Haus, schönes Kind, gehört mir bereits«, brachte Brewster feixend in Erinnerung, und daraufhin lachte er so schallend und schmutzig, dass Cyn es nicht länger ertrug. Brewsters Häme, die Apathie ihres Vaters, ihre eigene Angst vor der Zukunft, all das wurde in diesem Augenblick zu viel.
    »Gehen Sie!«, herrschte sie ihn an, während die Tränen ungehindert in ihre Augen schossen. »Verschwinden Sie!«
    Brewster blieb unbeirrt stehen. »Und wenn nicht?«, fragte er ruhig. »Würdest du mich dann persönlich hinauswerfen?«
    »Nein, das würden wir übernehmen!«
    Unvermittelt waren die anderen in der Tür zum Arbeitszimmer aufgetaucht: Albert und Hank, die die Ärmel ihrer Hemden aufgekrempelt und die Hände zu Fäusten geballt hatten; Nancy, die ein Messer in der Hand hielt, und Lucy, die ein Nudelholz drohend erhoben hatte.
    Brewster gab sich dennoch unbeeindruckt. Nach kurzem Zögern griff er in die Tasche seines Rocks und kramte eine Trillerpfeife hervor, die er ansetzen wollte.
    »Bemühen Sie sich nicht«, sagte Lucy. »Die beiden Galgenvögel dort unten in der Gasse haben sich entschieden, ein Nickerchen zu halten, sie werden bestimmt nichts hören.«
    Das fiese Grinsen bröckelte aus dem Gesicht des Geldverleihers wie Putz von einer alten Mauer.
    Einen Augenblick lang zögerte er noch, doch als er die Entschlossenheit in den Gesichtern der anderen sah, setzte er sich widerwillig in Bewegung, nicht ohne Cyn mit einem letzten feindseligen Blick zu bedenken. »Das ist keine gute Entscheidung, Mädchen«, zischte er. »Noch vier Tage, dann gehört der Laden mir.«
    Damit ließ er sie stehen, und Lucy und die anderen machten Platz, um ihn hinauszulassen. Während Albert und Hank ihn nach unten begleiteten, um sicherzustellen, dass er das Haus auch wirklich verließ, blieben Lucy und Nancy bei Cyn.
    »Kind, es tut mir unendlich leid.«
    Cyn wusste nicht, was sie trauriger machte – Lucys Mitleid oder die Tatsache, dass es eigentlich ihr Vater hätte sein müssen, der sie tröstete. Doch der alte Horace stand weiter unbewegt, schien noch nicht einmal wirklich begriffen zu haben, was vor sich ging, während Lucy einmal mehr zur Stelle war und Cyn in ihre mütterlichen Arme nahm.
    Die Tränen flossen ungehemmt, Cyn fand kein Mittel mehr dagegen. Die Bestürzung, die Angst, die hilflose Wut – all das suchte sich einen Weg hinaus.
    Sie weinte so bitterlich, wie sie es seit dem Tod ihrer Mutter nicht mehr getan hatte, Krämpfe schüttelten sie, während Lucy sie an sich presste und ihr durch das kurze Haar strich. Der süßliche Küchengeruch, der ihren Kleidern anhaftete, erinnerte Cyn an früher, und tatsächlich beruhigte sie sich ein wenig. Sie löste sich aus der Umarmung, sah erneut zu ihrem Vater, der den Blick jetzt erwiderte und sie durch das gesprungene Glas seiner Brille anstarrte.
    »Cynthia«, sagte er, als würde er sie eben erst entdecken. »Warum weinst du, Kind?«
    Cyn wandte den Blick und sah Lucy an.
    »Ich weiß, Kind«, sagte die Freundin leise. »Ich weiß.«

9
    DIE WARNUNG
    »Du schon wieder?«
    Als Cyn die Polizeiwache Bishopsgate betrat, wäre sie am liebsten sofort wieder umgekehrt – denn wieder hatte der offenbar stets schlecht gelaunte Sergeant Finlay seinen Schalterdienst.
    »Guten Tag, Sergeant«, versuchte sie es dennoch und trat an den Schalter.
    »Was?«, fragte Finlay nur, der einmal mehr den Mund voll

Weitere Kostenlose Bücher