Spiel der Schatten (German Edition)
hierherzukommen und sich auf den Platz meines Vaters zu setzen?«
Brewster taxierte sie von Kopf bis Fuß, seine Hakennase zuckte. »Guten Tag auch«, meinte er dann.
»Sie sind ein schlechter Mensch, Desmond Brewster«, beschied Cyn ihm mit bebender Stimme. »Sie geben sich als Geschäftsmann aus und bieten denen, die in Not sind, Ihre Hilfe an – aber wehe dem, der sie in Anspruch nimmt. Dann zeigen Sie Ihr wahres Gesicht!«
»Mein wahres Gesicht?« Der Geldverleiher kicherte. »Was für ein Gesicht sollte das wohl sein?«
»Sie sind ein Geier, Mister Brewster«, zischte Cyn, »ein gemeiner Aasfresser, der über seinem Opfer kreist, bis es sich nicht mehr wehren kann, und dann erbarmungslos zuschlägt.«
»Vorsicht, Kind«, sagte Brewster nur.
»Warum?«, fragte Cyn. »Ist Ihnen die Wahrheit unangenehm?«
Brewster reckte seinen langen dürren Hals und blickte an Cyn vorbei auf ihren Vater. »Heda, Pence«, krächzte er. »Wollen Sie Ihr Vögelchen nicht zurückpfeifen? Es zwitschert ein wenig zu laut für meinen Geschmack.«
»Ihnen gefällt wohl nicht, was Sie hören?«, ereiferte sich Cyn weiter. »Wie schade – aber es ändert nichts daran, dass Sie ein elender Haifisch sind, Brewster! Ich weiß nicht, was meinen Vater dazu getrieben hat, mit Ihnen Geschäfte zu machen, aber mir ist klar, dass das Theater an dem Tag verloren war, da er den Vertrag mit Ihnen unterschrieben hat.«
»Nun übertreib mal nicht, Kind«, entgegnete Brewster und deutete auf den alten Horace. »Nimm dir ein Beispiel an deinem Vater. Er trägt die Sache wenigstens mit Fassung.«
Cyn drehte sich zu ihrem Vater um, der noch immer unbewegt dastand, mit hängenden Schultern und gesenktem Haupt, in seinem Gesicht jene Ausdruckslosigkeit, die sie schon zuvor bei ihm bemerkt hatte. »Mein Vater, Mister Brewster«, zischte sie deshalb, »hat resigniert. Er hat die Freude am Leben verloren, weil Sie ihm alles genommen haben! Aber damit werden Sie nicht durchkommen, das schwöre ich Ihnen!«
Brewster hob die buschigen Brauen. »Willst du mir etwa drohen?«
»Wie könnte ich das?« Cyns Stimme zitterte. Es kostete sie alle Überwindung, vor Wut und Verzweiflung nicht in Tränen auszubrechen, aber diesen Triumph wollte sie Brewster nicht gönnen. »Aber es gibt eine Gerechtigkeit, die auch Halsabschneidern wie Ihnen zuteilwird, daran glaube ich von ganzem Herzen. Und jetzt raus hier!«
»Halsabschneider.« Der Geldverleiher schnalzte tadelnd mit der Zunge, während er sich provozierend langsam erhob. »Wirklich, Pence, bringen Sie Ihrer Tochter Manieren bei, sonst wird sie sich noch irgendwann um Kopf und Kragen reden. Oder soll ich das mit den Manieren übernehmen?«
Cyn sah zu ihrem Vater, der jedoch noch immer keine Anstalten machte, etwas zu erwidern. Schweigend und ohne Teilnahme verfolgte er den Streit.
»Sie persönlich?«, fragte Cyn spitz, während sie Brewster nun ihrerseits von Kopf bis Fuß musterte. »Oder brauchen Sie dazu die Hilfe der beiden Halbaffen, die unten vor der Tür stehen?«
Brewster kam um den Tisch herum und stand nun unmittelbar vor ihr. Cyn konnte den modrigen Gestank riechen, der ihn wie eine Wolke umgab. »Du begehst einen Fehler, Kindchen«, beschied er ihr. »Du solltest mich nicht zu deinem Feind machen. Das alles hier«, er machte eine Handbewegung, die nicht nur die kleine Wohnung, sondern auch das darunter liegende Theater einschloss, »wird es schon sehr bald nicht mehr geben. Jemand hat mir eine Menge Geld geboten, um den Grund zu kaufen, auf dem diese baufällige Baracke steht, und eine Fabrik zur Herstellung von Schwefelhölzern darauf zu errichten.«
»Hast du das gehört, Vater? Er will das Penny Theatre abreißen!« Verzweifelt wandte sie sich Horace zu, doch der Blick, mit dem er sie bedachte, verriet ihr deutlich, dass ihn nicht kümmerte, was aus seinem Lebenswerk wurde.
Nicht mehr …
»Natürlich steht es dir frei, deinen Lebensunterhalt als Arbeiterin in der Fabrik zu verdingen. Du bist ohnehin zu blass, vielleicht würde dir ein wenig Schwefelglanz um Kinn und Wangen ganz gut zu Gesicht stehen.«
»Mistkerl«, zischte Cyn hilflos.
»Wenn du dich jedoch mit mir gut stellst«, fuhr Brewster grinsend fort, die Beleidigung geflissentlich überhörend, »könnte ich dir dieses Schicksal ersparen, wenn das alles hier vor die Hunde geht.«
»Wie denn?« Cyn lachte freudlos auf. »Indem Sie mich in eines Ihrer Bordelle schicken und dort arbeiten lassen? So pflegen Sie es doch mit
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