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Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Kulissen.
    Ein großes Tor.
    Ein Garten mit Palmen.
    Ein Palast und Pyramiden im Hintergrund.
    Allerdings waren sie nicht sehr aufwendig gebaut und auch nicht naturgetreu bemalt wie die Kulissen im Penny Theatre, sondern bestanden lediglich aus Holz und Pappe und waren auf der Vorderseite geschwärzt. Ganz offenbar dienten sie nur dazu, ihre Schatten auf die Leinwand zu werfen – und mit derart primitiver Ausstattung zog das Caligorium die Massen an? Wurde es nicht weithin für seine Extravaganz gerühmt?
    Cyn empfand Enttäuschung gepaart mit einer Portion Wut. Warum, so fragte sie sich, zogen die Menschen diesen faulen Mummenschanz den Vorstellungen im Penny Theatre vor, wo es dort doch ungleich schönere Dekorationen zu bestaunen gab, von dem hölzernen Pferd, das Hank eigens für ihre Aufführung von Homers »Ilias« gebaut hatte, bis hin zur sagenumwobenen Burg Camelot, die Nancy in liebevoller Kleinarbeit auf einen großen Prospekt gemalt hatte. Was, in aller Welt, hatten die Vorführungen hier an sich, dass die Leute in Scharen in das Theater strömten und …
    Sie stutzte, als sie zwischen den Kulissen des Torbogens und des Gartens etwas bemerkte. Etwas, das in grotesker Verrenkung am Boden lag und aussah wie …
    »Puck!«, entfuhr es ihr, als hätte sie ein lange verlorenes Familienmitglied wiedergefunden.
    Erschrocken presste sie die Hand auf den Mund und verharrte, sich für ihren Leichtsinn scheltend. Einige Augenblicke lang blieb sie reglos stehen und lauschte. Als sich abermals nichts regte, huschte sie zu der am Boden liegenden Puppe, hob sie auf und betrachtete sie – den Schatten, der hinter ihr über die Leinwand huschte, lautlos und im Halbdunkel kaum auszumachen, bemerkte sie nicht.
    Es war tatsächlich der Puck.
    Cyn empfand Erleichterung, als sie die Puppe, auf die ihr Vater so große Stücke hielt, plötzlich wieder in den Händen hielt und mit ihr ein tröstliches Stück Vertrautheit. Das lackierte Gesicht des Puck hatte ein paar Schrammen abbekommen, die aus Wollfäden bestehenden Haare standen wirr durcheinander, ansonsten aber schien er unversehrt, und aus dem Zustand, in dem sie ihn aufgefunden hatte, achtlos hingeworfen, die Gliedmaßen wild durcheinander, folgerte Cyn, dass er noch so gelegen hatte, wie ihr Vater ihn verloren hatte. Und das wiederum musste bedeuten, dass der alte Horace ebenfalls hier gewesen war, hier hinter den Kulissen.
    Aber die Frage, was sich dann ereignet hatte, blieb.
    Vielleicht, überlegte Cyn, war es zu einem Handgemenge gekommen, in dessen Verlauf ihr Vater den Puck verloren hatte. Oder er war auf etwas gestoßen, das ihm solche Angst eingejagt hatte, dass er die Flucht ergriffen und den Puck zurückgelassen hatte. Aber weder das eine noch das andere erklärte, was danach mit ihm geschehen war.
    Plötzlich vernahm sie in ihrem Rücken ein Geräusch.
    Blitzschnell fuhr sie herum, spähte in das Halbdunkel, das jenseits der schwarz bemalten Schattenkulissen herrschte, konnte jedoch zunächst nichts erkennen. Dafür kehrte die Furcht zurück. Und diesmal war es nicht nur das unbestimmte Gefühl, von verborgenen Augen beobachtet zu werden – es war die schreckliche Gewissheit.
    Dort, in jenem dunklen Winkel zwischen den Palmen und dem Obelisken, bewegte sich etwas!
    Cyn schauderte. Ihr Gesicht wurde heiß, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Unwillkürlich wich sie zurück, erschrak, als sie gegen eine der Kulissen stieß. Sie zuckte zusammen, merkte, wie nackte Angst sie packte.
    Sie hielt die Ungewissheit nicht länger aus.
    »Ist … ist da jemand?«, fragte sie mit bebender Stimme.
    Cyn bekam keine Antwort.
    Dafür konnte sie im nächsten Augenblick sehen, wie sich der undeutliche Schemen aus dem dunklen Winkel herausschälte und zu einer klar umrissenen Gestalt wurde.
    »Hallo«, sagte eine leise Stimme.
    Cyn war entdeckt worden.

12
    PUCK
    »Ha… hallo.«
    Cyns Stimme versagte fast, als sie den Gruß erwiderte. Noch immer konnte sie von ihrem geheimnisvollen Gegenüber, das sie offenbar schon die ganze Zeit über beobachtet hatte, nicht mehr erkennen als einen dunklen Umriss.
    »Wer bist du, und was willst du hier?«
    Die Stimme klang barsch, aber nicht böse. Sie schien einem Jungen zu gehören, der etwa in Cyns Alter sein mochte. Dennoch hatte Cyn das Gefühl, dass etwas Bedrohliches von ihr ausging, was aber auch an der unheimlichen Umgebung liegen konnte.
    »Bitte verzeih«, sagte sie, »ich weiß, dass ich hier nichts zu suchen habe, aber

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