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Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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begonnen.
    Was nun?
    Sehnsüchtig blickte Cyn in Richtung der Eingänge, die jedoch alle verschlossen waren. Dann trat sie in einem jähen Entschluss auf eine der Pforten zu und klopfte an.
    Als keine Reaktion erfolgte, klopfte sie abermals.
    Und noch einmal.
    Dann waren von drinnen Schritte zu hören.
    »Ja?«, fragte eine derbe Männerstimme.
    »Sir, bitte öffnen Sie«, bat Cyn durch die geschlossene Tür. »Ich habe etwas im Theater vergessen, das ich …«
    Sie verstummte, als der Schlüssel im Schloss herumgedreht wurde und die Tür aufschwang.
    Ein Mann in der dunkelroten Uniform eines Theaterdieners stand breitbeinig auf der Schwelle. Seine grimmigen Züge und die schinkengroßen Pranken ließen allerdings vermuten, dass er nicht nur für den Einlass der Theaterbesucher zuständig war, sondern nötigenfalls auch fürs Hinauswerfen.
    »Was willst du?«, schnauzte er.
    Cyn war entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen. »Bitte entschuldigen Sie, Sir«, sagte sie und neigte höflich das Haupt, »bei meinem letzten Besuch im Theater habe ich etwas vergessen, das ich gerne wiederhaben würde.«
    »Aha.« Die Augen des Uniformierten verengten sich kritisch. »Und was hast du vergessen?«
    »Eine Puppe.« Mit den Händen deutete Cyn die ungefähren Maße des Pucks an. »Sie ist so groß und hat Pausbacken und wirres Haar. Sie sieht ziemlich lustig aus«, fügte Cyn lächelnd hinzu, die unbewegte Miene des Mannes verriet jedoch, dass er ihren Humor nicht teilte.
    »Und?«, fragte er.
    »Und diese Puppe hätte ich gerne wieder«, fuhr Cyn fort. »Wenn Sie also so freundlich wären, mich einzulassen, damit ich nach meiner Puppe suchen kann …«
    Der Theaterdiener verzog das Gesicht. »Für wie dämlich hältst du mich?«
    »Wie bitte, Sir?«
    »Glaubst du, ich merke nicht, dass du noch nie im Caligorium gewesen bist?« Er lachte leise in sich hinein. »Nein, Mädchen – wenn du hier reinwillst, musst du es schon etwas schlauer anstellen. Oder den Eintrittspreis bezahlen wie alle anderen auch.«
    Für einen Moment war Cyn so verblüfft, dass ihr die Worte fehlten. Woher, in aller Welt, wusste der Mann mit derartiger Bestimmtheit, dass sie noch nie im Caligorium gewesen war? War sie eine solch schlechte Lügnerin?
    Ihr war klar, dass es keinen Sinn hatte, es weiter zu versuchen. »Verzeihen Sie, Sir«, erwiderte sie und setzte ein entwaffnendes Lächeln auf. »Ich sehe, Sie sind zu schlau für mich. Aber ich musste es einfach versuchen.«
    »Hat nicht geklappt.« Der Theaterdiener wippte selbstgefällig auf den Ballen. »Und nun verschwinde, ehe ich die Constables rufe, verstanden?«
    Cyn nickte und gehorchte augenblicklich. Schwierigkeiten mit der Polizei waren nun wirklich das Letzte, was sie wollte. Unter den strengen Blicken des Uniformierten trottete sie davon, eingeschüchtert und enttäuscht zugleich.
    Was sollte sie tun?
    Zurück nach Hause gehen?
    Nein.
    Sie konnte ihrem Vater nicht unter die Augen treten und ihm sagen, dass der Puck für immer verloren war. Und sie wollte nicht aufgeben, ohne nicht wenigstens ein paar Antworten bekommen zu haben.
    Sie ging weiter, bis sie hörte, wie die Tür des Theaters geräuschvoll ins Schloss geworfen wurde. Dann flüchtete sie sich in die nächstgelegene Mauernische. Nieselregen hatte inzwischen eingesetzt und benetzte Straßen und Dächer, die im Licht der Gaslaternen geheimnisvoll glänzten. Zudem war es empfindlich kalt geworden. Frierend schlang Cyn die Arme um den Oberkörper und überlegte, was sie tun sollte.
    Irgendwie musste es ihr gelingen, ins Innere des Theaters zu gelangen, aber wie sollte sie das anstellen? Und was, wenn sie dabei geschnappt wurde? Der Mann in der Uniform hatte nicht den Eindruck gemacht, als ob er in solchen Dingen Spaß verstünde, zumal sie schon einmal versucht hatte, sich in eine laufende Vorstellung zu …
    Jäh hielt Cyn in ihren Gedanken inne.
    Warum, so fragte sie sich jetzt, war im Foyer des Theaters nichts davon zu hören gewesen? Die Plakate vor dem Caligorium prahlten damit, dass Verdis »Aida« gespielt wurde, aber hätte dann nicht etwas davon nach außen dringen müssen?
    Cyn konzentrierte sich, rief sich alles noch einmal ins Gedächtnis, aber sie war sicher, dass da nichts gewesen war.
    Keine Musik.
    Kein Gesang.
    Kein Applaus.
    Eisiges Schweigen hatte im Hintergrund geherrscht, obwohl die Vorstellung doch angeblich in vollem Gange war – wie passte das zusammen?
    Es war ein weiterer Widerspruch, ein weiteres

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