Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
›Sommernachtstraum‹«, fügte sie erklärend hinzu.
    »Ich weiß.«
    »Und? Hat es dir gefallen?«
    »Es war schön«, sagte der Junge, und zum ersten Mal hatte Cyn den Eindruck, dass seine Stimme nicht vor Sarkasmus triefte. »Wie heißt du?«, wollte er wissen.
    »Cynthia. Aber eigentlich nennen mich alle nur Cyn. Und du?«
    Der Junge zögerte einen Moment. »Milo«, erwiderte er dann. Es klang fast wie ein Geständnis. »Du hast wirklich Talent«, fügte er zu ihrer Überraschung hinzu.
    »Ach ja?« Sie ließ den Puck sinken. »Wer sagt das?«
    »Jemand, der es wissen muss.«
    Cyn hob eine Braue. »Du etwa?«
    »Nein. Dein Vater.«
    »Was?« Cyns eben erst zurückgewonnene Selbstsicherheit verpuffte sogleich wieder. »Du … du kennst meinen Vater?«
    »Er war hier, oder nicht?«
    »Das stimmt, aber wie solltest du ihn kennen? Und wieso sollte er mit dir über mich sprechen? Er kennt dich doch gar nicht!«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Woher ich …?« Cyn verstummte. Der Junge hatte etwas an sich, dass sie hilflos wütend machte. Der Hochmut in seiner Stimme, seine anmaßende Art zu sprechen. Aber da war auch eine Spur von Traurigkeit.
    »Dein Vater ist Horace Pence, der Besitzer des Penny Theatre, das noch diese Woche schließen muss«, tönte es zu ihrer Verblüffung aus der Nische.
    »Das ist wahr«, musste Cyn zugeben. »Du kennst ihn also wirklich?«
    »Das habe ich doch gerade gesagt.«
    »Und du hast mit ihm gesprochen, als er hier war?«
    »Ich kenne ihn«, erwiderte der Junge ausweichend.
    »Dann weißt du womöglich auch, was mit ihm geschehen ist«, vermutete Cyn.
    »Was meinst du?«
    Cyn zögerte. Konnte sie gegenüber diesem Jungen, von dem sie bislang noch nicht einmal wusste, wie er aussah, ganz offen sein? Wahrscheinlich nicht. Andererseits war sie hier, um Antworten zu bekommen, oder?
    »Als er zurückkehrte, war er nicht mehr derselbe«, gestand sie leise. »Irgendetwas ist mit ihm geschehen, sonst hätte er den Puck niemals zurückgelassen.«
    »Dann bist du in Wirklichkeit gar nicht wegen der Puppe, sondern wegen deines Vaters hier?«
    Cyn blickte auf den Puck und nickte langsam. »Das stimmt wohl«, gestand sie und kam sich ziemlich dumm dabei vor. Was, in aller Welt, tat sie hier? Statt zu Hause bei ihrem kranken Vater zu sein, der sie dringend brauchte, stand sie hier in einem fremden Theater, in das sie streng genommen eingebrochen war, und sprach mit jemandem, den sie noch nicht einmal richtig sehen konnte. Es war ein Fehler gewesen, hierherzukommen, das wurde ihr jetzt klar – allerdings war es zu spät, um es sich noch anders zu überlegen. Sie war erwischt worden und würde sich dafür verantworten müssen.
    »Ich weiß es«, drang es unvermittelt aus der Nische.
    »Was weißt du?«
    »Was mit deinem Vater geschehen ist«, bekräftigte Milo zu Cyns Verblüffung. »Ich bin dabei gewesen.«
    »Du bist wobei gewesen?« Cyn legte die Stirn in Falten. Eine düstere Ahnung beschlich sie. »Wovon sprichst du?«
    »Das willst du nicht wissen«, war der Junge überzeugt.
    »Was soll das nun wieder heißen? Was ist meinem Vater zugestoßen?«, bohrte Cyn nach. Ihr war unwohl zumute, doch ihre Neugier überwog ihre Furcht. »Wenn du es weißt, dann sag es mir! Ich muss es wissen!«
    »Wozu?«
    »Um ihm helfen zu können.«
    »Du willst ihm helfen? Wobei?«
    »Wieder der zu werden, der er war. Jener liebevolle, lebensfrohe Mensch, den ich kenne.«
    Es hatte den Anschein, als dachte Milo einen Augenblick nach. »Das ist nicht möglich«, erklärte er dann mit erschreckender Endgültigkeit, und Cyn bemerkte abermals jene Traurigkeit in seiner Stimme.
    Sie legte den Kopf schief, suchte die Schwärze mit Blicken zu durchdringen, aber es gelang ihr auch diesmal nicht. »Warum nicht?«, wollte sie wissen. »Bitte sag mir, was in jener Nacht geschehen ist. Ich muss es erfahren.«
    »Bist du sicher, dass du das wirklich willst?«
    Cyn räusperte sich, ihre Kehle fühlte sich an wie ausgedörrt. Ihre Handflächen wurden feucht, Angstschweiß trat ihr auf die Stirn, obwohl niemand sie bedrohte.
    Oder?
    »Du machst mir Angst«, gab sie unumwunden zu. Ihre Stimme klang brüchig und belegt. »Trotzdem will ich wissen, was meinem Vater widerfahren ist.«
    »Wie du willst. Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Warte hier einen Augenblick.«
    Cyn nickte und blieb stehen, wie der fremde Junge es von ihr verlangte. Weshalb sie ihm gehorchte, wieso sie sich ihm anvertraut hatte, warum sie

Weitere Kostenlose Bücher