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Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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hatte in Frankreich der Pöbel das Sagen. Das Land versank im Krieg, und nicht nur der König wurde blutig hingerichtet, sondern auch jene, die auf seiner Seite standen. So auch Milos Brüder, deren junges Leben unter der Guillotine ein jähes Ende fand.«
    »Das tut mir leid«, flüsterte Cyn, die in diesem Augenblick an das Bild denken musste, das sie in der Nationalgalerie gesehen hatten. Deshalb also hatte es Milo mit derartiger Beklommenheit erfüllt.
    »Milo und seine Mutter haben alles mit angesehen«, fuhr Caligore mit gepresster Stimme fort. »Als meine geliebte Frau daran zerbrach und den Verstand verlor, war der Junge alles, was mir von meiner Familie geblieben war, und ich schwor mir, ihn auf ewig zu beschützen. Wir zogen uns auf das toskanische Landgut meiner Familie zurück, wo ich in einer sturmgepeitschten Nacht einen geheimen Gang entdeckte. Er führte in eine Kammer, in der ich die sterblichen Überreste eines meiner Ahnen fand, des Alchemisten Maggoro Caligore – und die laterna magica . Aus seinen Aufzeichnungen erfuhr ich, was es mit ihr auf sich hatte. Ich lernte ihre Zeichen zu lesen und erforschte ihr Geheimnis – und als ich es endlich entschlüsselt hatte, wurde mir klar, dass die Laterne genau das Werkzeug war, das ich brauchte, um mich an der Menschheit zu rächen.
    Meine ersten Erfahrungen im Umgang mit der Laterne sammelte ich in den Dörfern der Umgebung, dann ging es weiter nach Pisa, nach Lucca und schließlich nach Florenz. Wohin auch immer ich kam, folgten die Schatten dem Ruf der Laterne – und so führte mich mein Weg schließlich in die Hauptstadt der modernen Welt, nach London. Meine alte Existenz hatte ich längst aufgegeben und war selbst ein Schatten geworden, immerzu auf der Suche nach Rache.«
    »Und … Milo?«
    »Als ich erkannte, was die Macht der Laterne vermochte, machte ich auch ihn zu einem Teil davon. Nicht unser Geist ist es, der getötet werden kann, sondern unser Körper. Also befreite ich ihn davon, um meinen Schwur einzulösen und ihn auf ewig zu beschützen.«
    »Und sein Körper?«
    Caligore starrte sie an. Der Blick der glühenden Augen klärte sich, als würde er aus einem Tagtraum erwachen. »Was geht dich das an?«, blaffte er. »Ich habe dir ohnehin schon mehr erzählt, als du wissen musst. Nun wird es Zeit, dass auch du begreifst, was Freiheit ist!«
    Er gab ihrem Vater ein Zeichen, der daraufhin den Mechanismus des Bühnenvorhangs betätigte. Der schwere Samt teilte sich, die Lichtstrahlen der Laterne drangen hinaus in den Zuschauerraum – und Cyn traute ihren Augen nicht, als sie sah, dass das Theater bis zum letzten Platz voll besetzt war.
    Mit einem Heer von Schatten.
    Cyn konnte ihr Gemurmel hören, ihr aufgeregtes Getuschel wie vor dem Beginn einer Vorstellung. Aber dies war nicht irgendein Theaterstück, das zur allgemeinen Erbauung gegeben wurde. Dies war ihr Leben, das, wenn es nach Caligore ging, in wenigen Augenblicken enden würde!
    »Nein!«, schrie Cyn aus Leibeskräften und wand sich im Griff ihrer Häscher. Sie fühlte sich hilflos und ausgeliefert, ihr Pulsschlag raste. »Neeein!«
    »Wehre dich nicht dagegen, Kind«, riet ihr Vater, der wieder an ihre Seite getreten war. »Je mehr du dich zur Wehr setzt, desto länger wird es dauern. Ergib dich der Macht der Laterne, und du hast nichts zu befürchten.«
    »Ich will aber nicht!«, brüllte Cyn, während sich das leuchtende Monstrum langsam auf sie herabzusenken begann. Die Kette klirrte, und ein unheimliches Wummern war zu hören, von dem Cyn nicht wusste, ob es nur in ihrem Kopf war oder wirklich existierte.
    Sie schloss die Augen, doch das grüne Leuchten, das immer stärker wurde, drang geradewegs durch ihre Lider.
    »Bald«, hörte sie ihren Vater sagen. »Es ist bald vorbei …«
    Cyn schluchzte. Ein Teil von ihr wollte noch immer nicht, dass das Unausweichliche geschah, doch es gab auch einen anderen Teil, der sich fragte, ob dadurch nicht alles viel einfacher werden würde. Alle Sorgen gehörten dann der Vergangenheit an und sie würde wieder mit den Menschen vereint sein, die sie liebte.
    Vielleicht, so sagte sie sich, sollte sie sich einfach ergeben und tun, was man von ihr verlangte. Doch schon im nächsten Moment brach sich wieder die Stimme des Widerstands Bahn, und Cyn schrie das einzige Wort, das ihr in den Sinn kam, laut hinaus.
    »Neeein!«
    Die Stimme des Puck war in seinem Kopf verstummt.
    Dafür konnte Milo jetzt Cyns Schreie hören.
    Nicht weil sie tatsächlich

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