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Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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von Körper zu Körper zu wandern.«
    »Vielleicht«, räumte Milo ein, »aber ich werde am Leben der Menschen wieder teilhaben und einer von ihnen sein.«
    »Das ist es, was du willst? Einer von ihnen sein? Hat das verdammte Gör dir das eingeredet?« Caligore deutete auf Cyn.
    »Cyn hat mich gelehrt, dass nicht alle Menschen böse und verdorben sind und dass es dort draußen auch Gutes gibt«, bestätigte Milo.
    »Weil sie dich mit ihren Lügen geblendet hat! Siehst du denn nicht, dass es genau das ist, was sie bezweckt?«
    »Nein, Vater – du bist es, der verblendet ist. Dein Hass auf die Menschen hat dich blind werden lassen, und es wird Zeit, dass du das erkennst. Ich habe nachgedacht, Vater, und ich denke, dass das, was wir tun, falsch ist.«
    »Dass es falsch ist?«, schnappte der Professor. »Und was ist mit dem, was uns die Menschen angetan haben?«
    »Das ist lange her«, sagte Milo überzeugt. »Es ist an der Zeit zu verzeihen.«
    »Ver… verzeihen?« Hätte sein Sohn in einer fremden Sprache gesprochen, das Unverständnis des Professors hätte kaum größer sein können.
    »Ja, Vater«, fuhr der Junge unbeirrt fort. »Aus diesem Grund bitte ich dich, Cyn nicht der Macht der Laterne auszusetzen. Lassen wir sie frei. Sie hat uns nichts getan.«
    »Sie hat dich gegen mich aufgehetzt«, widersprach Caligore mit lauter Stimme, »und dich mir zum Feind gemacht!«
    »Das ist nicht wahr, Vater. Ich bin nicht dein Feind, und auch Cyn ist es nicht. Der Hass ist dein Feind, ihn musst du überwinden!«
    Der Professor starrte zu seinem Sohn empor. Die Knochenfäuste waren geballt, die grauen Züge wutverzerrt, Funken schienen aus den tief liegenden Augen zu schlagen. »Was für eine Enttäuschung«, schnaubte er, sichtlich mühsam um Beherrschung ringend. »Über all die Zeit hinweg habe ich dich beschützt, weil ich glaubte, dass du es wert wärst als mein Nachkomme und Erbe. Ich habe es dir niemals verübelt, dass du der jüngste und schwächste von meinen vier Söhnen warst, und ich habe dir jede nur denkbare Annehmlichkeit geboten. Ich hätte alles für dich getan, Sohn, aber wenn du dich gegen mich wendest, ist es damit vorbei. Was du mit deinem Körper anfängst, ist deine Sache, du magst ihn benutzen, wie es dir beliebt. Aber ich werde nicht zulassen, dass du meine Pläne bedrohst.«
    »Lass Cynthia frei, ich bitte dich«, wiederholte Milo, fast flehend.
    »Theaterdiener«, wandte sich Caligore an seine rot uniformierten Schergen. »Holt ihn darunter. Und dann bringen wir es endlich zu Ende – die Grimmlinge können es kaum erwarten, den neuen Schatten willkommen zu heißen.«
    »Nein, Vater!«, rief Milo. Plötzlich blitzte ein Messer in seiner Hand auf, das er an eines der Seile legte, die über Umlenkrollen mit den Gegengewichten der Bühnendekoration verbunden waren.
    »Tu das nicht!«
    Cyn, die den Wortwechsel atemlos verfolgt hatte, starrte zur Decke hinauf – und sah, was auch Caligore und seine Schatten in diesem Moment erkannten: An dem Seil, das Milo durchzuschneiden drohte, hing das Gegengewicht der Laterne! Sobald es fehlte, würde die Kugel, die sich noch immer langsam drehte, zu Boden schlagen und womöglich Schaden nehmen.
    »Das wagst du nicht!«, rief Caligore hinauf.
    »Und wenn doch? Die Laterne ist dein kostbarster Besitz, nicht wahr? Würdest du sie riskieren, nur um deiner Rachsucht willen?«
    »Du hast keine Ahnung, worauf du dich einlässt, Sohn!«
    »Das ist mir gleichgültig.« Der Junge schüttelte störrisch den gelockten Kopf. »Lass Cyn frei, dann wird der Laterne nichts geschehen.«
    Cyns Blick wanderte zwischen Milo und seinem Vater hin und her, sie schwankte zwischen Hoffen und Bangen. So dankbar sie Milo war, dass er für sie Partei ergriff, sosehr entsetzte sie der Ausdruck, den Umberto Caligores Züge annahmen und in denen kaum noch etwas Menschliches lag. »Du enttäuschst mich«, stieß er keuchend hervor, »mein eigen Fleisch und Blut. Aber dein Kampf ist verloren, noch ehe er begonnen hat, denn anders als deine Brüder bist du schon immer ein Schwächling gewesen. Fasst ihn, Männer«, fügte er leise, fast beiläufig hinzu.
    Und die Ereignisse überstürzten sich, denn in diesem Augenblick schlug Milo zu.
    Die Klinge fuhr nieder und traf auf das straff gespannte Seil, zerschnitt jedoch nur die äußeren Fasern. Das Raunen der Schatten ging in ein helles Kreischen über, als sie begriffen, dass der Junge seine Drohung wahr machte. Gleichzeitig stürmten die

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