Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiel Der Sehnsucht

Spiel Der Sehnsucht

Titel: Spiel Der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Vergnügen.«
    Damit ging er, und Lucy kam es vor, als wäre mit ihm alle Lebenskraft aus dem Raum verschwunden. Was für eine absurde Vorstellung, dachte sie. Und doch war es so.
    Lady Westcott stieß einen tiefen Seufzer aus, als habe sie lange die Luft angehalten. Auch Lucys Atem ging ein wenig unregelmäßig. Sie wandte sich nach der alten Frau um, die sie forschend betrachtete.
    »Sie brauchen nichts zu sagen, meine Liebe. Ich kann es Ihrem Gesicht ansehen, daß er nicht dem entspricht, was Sie erwartet hatten.«
    Lucy schnitt eine Grimasse. »So - so würde ich es nicht direkt ausdrücken. Darf ich mich setzen?«
    »Ich bitte Sie. Ich lasse uns etwas zu trinken bringen.
    Nichts beruhigt die Nerven so schön wie ein Cognac. -
    Werden Sie dem gewachsen sein, Miss Drysdale? Werden Sie meinem unangenehmen Enkel Paroli bieten können?
    Oder möchten Sie sich lieber schnellstens wieder auf den ruhigen Landsitz Ihres Bruders zurückziehen?«
    Falls Lucy mit diesem Gedanken gespielt hatte, so war die Erwähnung des ruhigen Landlebens das beste Gegenmittel, und Lucy hegte den Verdacht, daß die alte Frau das genau wußte.
    Lucy beschloß, offen zu sein. »Es wäre mir lieber gewesen«, sagte sie, »wenn Sie mir gegenüber eine Andeutung gemacht hätten, daß er - daß er eine derart heftige Abneigung gegen Sie hegt - und daß er - daß er eine so starke Präsenz besitzt.«
    »Daß er so verdammt attraktiv ist, wollten Sie sagen«, gab Lady Westcott ungerührt zurück. »Sie sind hoffentlich nicht so unklug, sich durch seine blendende Erscheinung einwickeln zu lassen.«
    »Selbstverständlich nicht«, erwiderte Lucy. »Allerdings kann ich für Ihr Patenkind nicht geradestehen.«
    »Sie werden das schon schaffen, darüber mache ich mir keine Sorgen. Was Ivans Abneigung gegen mich anbelangt, so ist das ohne Bedeutung. Ganz ohne Bedeutung.«
    Nun, das sagt sie so: dachte Lucy, während ein Dienstmädchen ein Tablett mit Tee, Biskuit und Cognac vor die beiden Frauen hinstellte. Trotzdem war es offensichtlich, daß die alte Dame sich zu ihrem düsteren Enkel genauso hingezogen fühlte wie alle anderen Frauen. Lucy vermutete, daß sie sich nach der Zuneigung ihres Enkels sehnte, der doch Blut von ihrem Blut war.
    Ob sie diese Zuneigung je erringen würde, war allerdings fraglich, und es stand nicht in Lucys Macht, in dieser Hinsicht etwas zu bewirken. Alles, was sie tun konnte, war mitzuhelfen, daß Lady Valerie Stanwich sicher unter die Haube gebracht wurde. Sicher und außer Reichweite von Ivan Thorntons Klauen. Ansonsten wollte sie sich aus den Angelegenheiten des Zigeuner-Grafen ganz heraushalten.
    Als sie jedoch wenig später in ihrem Bett lag, das sich in einem sehr hübschen Zimmer am anderen Ende der Halle befand, beschäftigten ihre Gedanken sich sehr intensiv mit dem jungen Mann.
    Mit seinem rabenschwarzen, fast schulterlangen Haar und diesem auffälligen Ohrring sah er wirklich wie ein Zigeuner aus. Doch er war auch ein Graf, und diese Mischung, davon war Lucy überzeugt, mußte ihn für jedes Mädchen unwiderstehlich machen. Wenn sie sich vorstellte, wie diese rätselhaften Augen sie anblickten, wie diese starke, gebräunte Hand sie berührte ...
    Sie stieß eine wenig damenhafte Verwünschung aus und warf sich zornig auf die andere Seite. Nein, an solche Dinge würde sie nicht denken. Das durfte sie einfach nicht. Ihre Rolle war genau festgelegt: Sie hatte Lady Valerie vor Ivan Thorntons Zugriff zu schützen.
    Trotzdem würde es interessant sein zu sehen, welche Frau ihm erliegen würde und ob das Schicksal dieser Frau ein bedauernswertes oder ein wundervolles sein würde.

4
    Lucy erwachte noch vor Sonnenaufgang von dem Klang von Hufen, die auf das Pflaster schlugen, und heftigem, unterdrücktem Gelächter. Sie war verwirrt und erschrocken, ihr Herz pochte heftig.
    Doch gleich darauf wurde ihr klar, wo sie sich befand.
    Sie war in London, in Westcott House, da, wo der be-rüchtigte Zigeuner-Graf Hof hielt.
    Bei dem Gedanken an ihn beschleunigte sich ihr Herzschlag wieder, doch diesmal nicht vor Schreck.
    Unzufrieden mit sich warf Lucy die weiche Bettdecke zurück und erhob sich. Hinter den schweren Damastvor-hängen begann gerade der junge Tag die Nacht zu verdrängen. Die Silhouetten der Dachfirste und Kaminhau-ben der umliegenden Häuser zeichneten sich schwarz in dem fahlen Morgenlicht ab. Doch es war nicht das Schauspiel der Morgendämmerung in der Stadt, das Lucys Interesse fand. Statt dessen lugte sie zu

Weitere Kostenlose Bücher