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Spiel Der Sehnsucht

Spiel Der Sehnsucht

Titel: Spiel Der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Zigeuner-Grafen? »Vielleicht ist das seine Art, die Gesellschaft für die Verachtung zu strafen, mit der sie ihn so lange behandelt hat und mit der sie ihn noch immer behandeln würde, wenn er nicht inzwischen im Besitz von Titel und Vermögen wäre.«
    »Sparen Sie sich doch Ihre Kindheitstheorien für eine geneigtere Zuhörerschaft, Miss Drysdale. Ivan ist kein Kind mehr. Nichts an seiner Vergangenheit läßt sich rückgängig machen. Außerdem wurde er seit seinem siebten Lebensjahr zum Grafen erzogen. Seine Ausbil-dung war weit besser, als er aufgrund seiner niederen Geburt erwarten konnte. Wenn er jemanden strafen will, wie Sie es ausdrücken, so sind weder ich noch die De-bütantinnen dieser Saison die geeigneten Objekte für seine Rachsucht.« Sie holte tief Luft und fuhr etwas ruhiger fort: »Jedenfalls hat er sich vorgenommen, schwierig zu sein. Ich bin sicher, daß er die arme Valerie nicht in Ruhe lassen wird, und Ihre Aufgabe wird es sein, sie vor ihm zu schützen.«
    »Und noch etwas«, fügte sie hinzu, »er besitzt eine gewisse Ausstrahlung. Sie mögen glauben, daß er wegen seiner Titel und seines Reichtums eine so große Anziehungskraft auf junge Mädchen besitzt. Doch er würde auf junge, empfindsame Damen ebenso wirken, wenn er nur ein gewöhnlicher Roßtäuscher wäre.«
    Scharf blickte sie Lucy an. »Sie sind kein junges, dummes Gänschen mehr, sonst hätte ich Sie nicht als Anstandsdame eingestellt. Ich verlasse mich darauf, daß Sie nicht auf die Verführungskünste von modischen jungen Herren hereinfallen.«
    »Wenn das der Fall wäre, so wäre ich längst verheiratet«, erwiderte Lucy. »Ich versichere Ihnen, Lady Antonia, daß der Charme Ihres Enkels an mich verschwendet sein wird. Ich werde meinen Pflichten gegenüber Lady Valerie mit der größten Sorgfalt nachkommen. Wenn es etwas gibt, das ich nicht ausstehen kann, so sind das unaufrichtige, wichtigtuerische Möchtegern-Draufgänger.«
    Lady Westcott nickte zustimmend. »Das höre ich gern, sehr gern. Nun, vor uns liegt noch eine lange, ermüdende Reise. Ich werde versuchen, ein wenig zu schlafen.«
    Damit schloß Antonia die Augen und lehnte sich in die Polster der Kutsche zurück. Unter ihren gesenkten Wimpern hervor beobachtete sie jedoch scharf Miss Drysdale.
    Sie hatte die Falle aufgestellt und den Köder hineinge-legt. Nun mußte sich jemand darin fangen. Ob Ivan nun Valerie oder Miss Drysdale den Hof machen würde, war ihr gleichgültig. Wichtig war, daß der Junge heiratete, und zwar bald. Doch sie gestand sich ein, daß die mittellose junge Frau, die ihr gegenüber saß, ihr als Ehefrau für ihren Enkel im Grunde besser zusagte als ihr unreifes Patenkind.
    Ivan hatte sie in den vergangenen zehn Jahren fast zum Wahnsinn getrieben: Erst war er ohne ein Wort verschwunden und hatte sich nicht einmal gemeldet, als er die Nachricht erhalten hatte, daß sein Vater ihn anerkannt und zu seinem Erben gemacht hatte. Auch zum Begräbnis seines Vaters im vergangenen Herbst war er nicht erschienen. Dann hatte er sich bis zum letzten Augenblick mit der Mitteilung Zeit gelassen, daß er zur Titelannahme im Januar kommen würde. Es wäre einfach nicht recht, wenn er nun ein so sanftes Mädchen wie Valerie zur Frau bekommen würde. Er verdiente eine Ehefrau, die ihm mit gleicher Münze heimzahlte.
    Antonia war sicher, daß Lucy Drysdale dafür genau die Richtige war.
    »Laß ihn sich für sie entscheiden«, betete sie im stillen.
    Allerdings war ihr Gebet eher ein Befehl als eine demüti-ge Bitte. »Laß ihn sich für Miss Drysdale entscheiden und mach, daß sie ihn danach ordentlich zappeln läßt. Doch schließlich laß die beiden sich kriegen.«
    - Und nicht zu vergessen das Urenkelkind, das sie prompt neun Monate danach sehen wollte, wenn nicht früher.
    Niemand hatte sie vorgewarnt, daß er einen Ohrring trug!
    Das war der erste Gedanke, der Lucy durch den Kopf schoß.
    Sie waren sehr spät vor dem repräsentativen Haus am Berkeley Square angekommen. Der Butler war ihr ein wenig überrascht, ja besorgt vorgekommen, als er sich im Foyer vor ihnen verbeugte. Lucy hatte das jedoch dem Umstand zugeschrieben, daß Lady Westcott ihn nicht über ihr plötzliches Erscheinen informiert hatte.
    Als sie Lady Westcott zu ihren Räumen gefolgt war, hatte sie den leichten Tabakduft bemerkt, ebenso das Licht, das aus einigen Räumen drang, und hatte daraus geschlossen, daß jemand zu Hause war. Als nun aber die Tür zum Salon der Gräfinwitwe krachend

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