Spiel Der Sehnsucht
hatte alles vorausberechnet, und obendrein waren diese drei Männer, mochten sie auch jung und gutaussehend sein, für die Tochter eines Grafen sicher nicht akzeptabel, das fühlte Lucy genau, obwohl sie die drei nicht kannte.
Als die Reiter Lord Westcotts Gefährt bemerkten, kamen sie darauf zugeritten.
»Guten Morgen, Westcott«, sagte der am elegantesten Gekleidete und lüpfte seinen Hut. Er war bemerkenswert gutaussehend, was durch sein Halstuch, das in einem komplizierten Knoten geschlungen war, und durch seine langen Spitzenmanschetten, die seine Hände halb bedeckten, noch unterstrichen wurde. Ein charmanter, erfahrener Lebemann, urteilte Lucy.
»Lady Valerie Stanwich, Miss Lucy Drysdale, darf ich Ihnen Mr. Alexander Blackburn vorstellen.« Der Name kam Lucy bekannt vor. Vielleicht war er ihr in einer Zeit-schrift begegnet.
»Außerdem Mr. Giles Dameron.« Der Genannte war groß, dunkel und hübsch, auf eine etwas derbe, ländlich wirkende, aber sehr ansprechende Weise.
»Und schließlich Mr. Elliot Pierce.« Ein Schurke, schloß Lucy, denn Mr. Pierce war mindestens ebenso hübsch wie Mr. Dameron, genauso lässig wie Mr. Blackburn und wirkte nahezu ebenso arrogant und gefährlich wie Ivan Thornton.
Der Lebemann, der Bauer und der Schurke, nannte Lu-cy das Trio bei sich. Man konnte ihnen die lange Kompli-zenschaft mit dem Zigeuner-Grafen geradezu ansehen.
»Wir waren alle gemeinsam in Burford Hall«, sagte Ivan, als wolle er ihre Gedanken bestätigen.
Lucy setzte ein zurückhaltendes Lächeln auf. »Es freut uns, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
Mr. Blackburn, der Lebemann, lenkte sein Pferd auf Valeries Seite des Phaetons. »Wie gefällt Ihnen London, Lady Valerie?« Er lächelte so offen und gewinnend, daß Lucy blinzelte. Vielleicht war sie doch vorschnell gewesen in ihrem Urteil, und er war gar nicht so schlimm.
»Es - es ist sehr - sehr groß«, stammelte Valerie und errötete bis unter die Wurzeln ihres Blondhaars.
Mr. Blackburns Gesicht wurde, falls das überhaupt möglich war, noch ernsthafter. »So kam es mir auch vor, als ich zum ersten Mal hier war. Aber man gewöhnt sich mit der Zeit daran. Woher kommen Sie?«
»Aus Sussex, aus der Nähe von Arundel.«
»Arundel«, nickte er nachdenklich, »ich war schon in der Gegend, habe dort ein wenig im Arun gefischt.«
»Meine Brüder fischen dort auch oft«, sagte Valerie und schöpfte ein wenig Mut.
Nun, das ließ sich gar nicht so übel an, dachte Lucy.
Die drei mochten keine Adeligen sein, doch ihre Manieren waren untadelig.
»Kommen Sie auch von dort, Miss Drysdale?« Lucy wandte sich dem Frager zu und blickte in Mr. Pierce's Augen. Der Schurke. Er trug eine nachlässige Grazie zur Schau, doch darunter sah Lucy das versteckte Raubtier.
Die Unterhaltung wurde noch einige Minuten fortgesetzt: ob die Damen schon bei Almacks gewesen seien, ob sie Einladungen zum Ball bei den McClendens hätten.
»Ich hoffe doch, daß Sie mir einen Walzer reservieren«, sagte Mr. Blackburn zu Valerie.
»Sie tanzt noch nicht Walzer«, warf Lucy ein, ehe Valerie antworten konnte. »Sie ist noch nicht bei Hofe vorgestellt worden.«
»Ah, dann eben einen anderen Tanz«, sagte Blackburn und schenkte Valerie ein bezauberndes Lächeln.
»Reservieren Sie auch für mich einen Tanz«, fiel Mr.
Pierce ein.
»Und auch für mich«, ergänzte Mr. Dameron.
Lucy war ein wenig besorgt, als Valerie lächelnd die Tänze versprach - genau so, wie Lucy es ihr beigebracht hatte. Mr. Blackburn war charmant und hatte von den dreien den am wenigsten bedrohlichen Eindruck gemacht. Doch er war nichts für Valerie, ebensowenig wie die beiden anderen. Valerie mochte nur ein Mädchen vom Land und eine von mehreren Schwestern sein, aber sie war immerhin die Tochter eines Grafen und dazu außerordentlich hübsch. Trotz einer mäßigen Mitgift konnte sie mit ihrem Titel und ihrer Schönheit eine sehr gute Partie machen. Lady Westcott hatte das Lucy gegenüber mehrmals betont. Sie würde diese unpassenden Verehrer genau im Auge behalten müssen.
Lucy begann sich zu fächeln und wandte sich an Ivan Thornton. »Wäre es möglich, Lord Westcott, daß Sie uns auf der Heimfahrt Fatuielle Hall zeigen?«
Sie war erleichtert, als er sofort zustimmte. Die drei anderen Herren tippten an ihre Hüte und verabschiedeten sich.
Ivan lenkte die Pferde geschickt durch die Masse der Kutschen und Reiter, und bald befanden sie sich außerhalb des Parks und trabten flott heimwärts. Zudem behielt Ivan
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