Spiel Der Sehnsucht
eingestellt, um Lord Westcott von Valerie fernzuhalten, obwohl Sie wissen mußten, daß er sie dann um so hart-näckiger verfolgen würde?«
»Weil er selbst noch nicht weiß, was er will.« Lady Westcott setzte ihre Tasse ab. »Wenn er nur einmal eine akzeptable junge Frau - eine beliebige akzeptable junge Frau - aussuchen und sich lange genug mit ihr abgeben würde, um sie wirklich kennenzulernen, so könnte er schließlich finden, was er braucht.«
»Und was ist es, das er braucht?«
Antonia begegnete Miss Drysdales skeptischem Blick mit einem völlig aufrichtigen Gesicht. Innerlich jedoch gratulierte sie sich, eine so hervorragende Schauspielerin zu sein. Es war an der Zeit, Miss Drysdale den Gnaden-stoß zu versetzen.
»Was mein Enkel braucht, ist eine Frau, die ihn liebt.
Eine Frau, die er wiederlieben kann.« Obwohl Antonia diese Worte sprach, um die Gefühle des Mädchens aufzurühren, stellte sie fest, daß sie der Wahrheit entspra-chen. »Natürlich will er das nicht glauben. Wahrscheinlich glaubt er überhaupt nicht an die Liebe. Aber Liebe ist es, was er braucht.«
Miss Drysdales Widerstand schwand. Mit ernstem Gesicht beugte sie sich vor. »Glauben Sie nicht, daß er die richtige Person selbst finden muß?«
»Aber er sucht nicht nach ihr«, gab Antonia zurück.
»Sehen Sie das nicht? Nur wenn ich ihm Valerie vorenthalte, wird er sich die Zeit nehmen, mehr als einmal mit ihr zu tanzen, ihr zu schmeicheln und ein, zwei Küsse von ihr zu rauben. So macht er es bei allen Frauen. Wenn Sie ihn nur ein wenig bremsen können, so daß er sich mehr Mühe geben muß, sie zu bezaubern, dann, so glaube ich, kann sie ihn sich angeln.«
»Aber sie will sich ihn nicht angeln.«
Antonia wischte den Einwand mit einer Handbewegung beiseite. »Sie ist ein nachgiebiges Kind, das sagte ich Ihnen schon. Mit der Zeit wird sie ihn lieben. Für den Augenblick genügt es, wenn sie Angst vor ihm hat.«
Über das Silbertablett mit dem Krug heißer Milch und geschmolzener Schokolade, mit den Schüsselchen voll Butter und Erdbeermarmelade und mit dem Teller voll köstlicher Muffins hinweg starrten die beiden Frauen einander an. Dann stand Miss Drysdale auf, und Lady Westcott hielt vor Spannung den Atem an.
»Unter diesen Umständen«, erklärte Lucy, »kann ich nicht weiter als Anstandsdame von Lady Valerie fungieren. Sobald Sie einen passenden Ersatz für mich gefunden haben, werde ich dieses Haus verlassen.«
»Das können Sie nicht!« rief Lady Antonia mit einer Vehemenz, die sowohl Lucy als auch sie selbst überraschte, und sprang auf. Nach einem Augenblick setzte sie sich wieder.
»Ich glaube einfach nicht, daß Sie sich in Somerset zu Tode langweilen wollen, weil wir nicht einer Meinung über die passende Frau für meinen Enkel sind«, fuhr sie etwas ruhiger fort.
»Das sehen Sie falsch, Lady Westcott. Zu der Frage, welche Frau zu Ihrem Enkel passen würde, habe ich keine Meinung. Sie hatten mich eingestellt, um dabei zu helfen, Lady Valerie angemessen zu verheiraten. Es ist Lady Valeries Wohlergehen, um das ich mich sorge.
Wenn es Ihr Wunsch ist, daß ich eine passende Gattin für Ihren Enkel finde, so hätten Sie mich von Anfang an dar-
über informieren müssen.«
»Vielleicht hätte ich das«, gab Antonia, die mit dem Verlauf dieser Unterhaltung nicht zufrieden war, zurück.
Daß dieses Mädchen aber auch so schlau, so geradeheraus und so eigensinnig sein mußte! »Wüßten Sie denn eine Person, die als Gattin für ihn in Betracht käme?«
Das war natürlich eine müßige Frage. Aber die Tatsache, daß Miss Drysdale zögerte, als dächte sie ernsthaft darüber nach, befriedigte sie innerlich; vor allem, da sie zu erkennen glaubte, daß Lucy diese Rolle für sich begehrte. Das Mädchen war sich dessen vielleicht selbst noch nicht bewußt, doch für Lady Westcott bestand kein Zweifel daran.
»Nun gut, Miss Drysdale«, sagte sie einlenkend, »handeln Sie nach Ihren Wünschen. Halten Sie Ivan von Valerie fern, wenn Ihnen das richtig erscheint. Finden Sie einen Mann für sie, der zu ihrem sanften Wesen paßt.
Doch gestehen Sie mir folgendes zu: Falls Ivan sich ändern und Valerie Interesse an ihm zeigen sollte, dann entmutigen Sie sie nicht. Einverstanden?«
»Ich glaube nicht, daß sie ihre Meinung ändern wird«, gab Miss Drysdale zu bedenken.
»Vielleicht nicht. Aber ich möchte Ihr Wort, daß Sie sie nicht gegenteilig beeinflussen, falls sie sich für Ivan erwärmen sollte.«
Lucy dachte lange nach,
Weitere Kostenlose Bücher