Spiel Der Sehnsucht
Männlichkeit ließ sich dadurch nicht beeindrucken.
Er hätte ein kaltes Bad verlangen sollen, das hätte ihn vielleicht von den erotischen Bildern in seinem Kopf abgelenkt. Aber vielleicht auch nicht. Er hatte einige Tage gemeinsam mit Elliot herumgehurt, doch kein einziges Mal war er so erregt gewesen wie jetzt; und das durch eine Frau, die sich nicht einmal im selben Zimmer wie er befand; eine Frau, die kaum jemand als eine gute Partie für einen so reichen jungen Mann wie ihn betrachten würde; eine Frau, die übriggeblieben war und sich mit der Rolle der Anstandsdame begnügen mußte.
Und doch war sie weitaus interessanter als alle Frauen, die er bisher kennengelernt hatte. Wäre er an einer Ehe interessiert, so würde sie die Liste der in Frage kommenden Kandidatinnen anführen.
Aber er wollte keine Ehe, weder mit ihr noch mit einer anderen. Was er wollte - was er brauchte -, war eine Bettgefährtin, die besser war als die Frauen, die er bisher gehabt hatte.
Er schloß die Augen, legte den Kopf zurück auf den Rand der Wanne und stellte sich vor, wie Lucys schmale Hände ihn abseiften.
Wie von selbst fand seine Hand sein erigiertes Glied.
Das heiße, seifige Wasser ließ seine Finger stimulierend daran auf-und abgleiten. Seine fiebrigen Gedanken stellten sich vor, daß es eine kleinere, schmalere Hand sei und die Reibung weniger drängend. Er sah Lucy in dem Schal vor sich, den er ihr geschickt hatte, mit nichts darunter.
Ihr Haar umfloß wild und lockig ihre Schultern, wie heute morgen. Ihre langen Beine waren nackt unter den Seidenfransen.
Er stöhnte laut auf und bewegte seine Hand schneller.
Es grenzte an Wahnsinn, sich nach einer verflixten blaustrümpfigen alten Jungfer zu sehnen, wenn er jede beliebige Frau haben konnte!
Doch er empfand Lust für sie, und das Wasser schäum-te über den Rand der Wanne, als er sich dieser Lust ergab.
Danach saß er in dem abgekühlten Wasser, befriedigt und doch unzufrieden. Dies war nur ein schwacher Abklatsch dessen gewesen, was er wirklich wollte. Aber vielleicht würde dieses Drängen in ihm jetzt eine Weile nachlassen. Keinesfalls wollte er, daß sie ihm seine ver-zweifelten Gefühle anmerkte.
Jedenfalls würde er etwas unternehmen müssen. Mit Lucy nur zu flirten machte alles bloß noch schlimmer. Er mußte dieses sture Weib verführen, dann wäre es vorbei.
Sobald er sie gehabt hätte, würde er sie vergessen können. So war es bisher immer gewesen.
Er schöpfte tief Atem. Es war Zeit, aus der Wanne zu steigen und den Tag zu meistern.
Es war Zeit, einen flotten Spaziergang zum Berkeley Square Park zu unternehmen.
»... ihre Gehirne sind wie Schwämme, die alle beabsichtigten und unbeabsichtigten Lehren, die wir ihnen erteilen, in sich aufsaugen. Sie lernen das Alphabet, und sie lernen, wie lange sie schreien müssen, um die Aufmerksamkeit ihrer Eltern zu erlangen. Sie lernen zu zählen und komplizierte mathematische Berechnungen anzu-stellen, sie lernen, wie sie den Menschen um sich herum schmeicheln, sie bedrohen oder sie auf andere Weise manipulieren können. Kurzum, die Erziehung eines Kindes umfaßt weit mehr, als im Unterricht vermittelt wird.«
Lucy starrte auf die Worte des Briefes. Wie war das mit den mathematischen Berechnungen? Sie las den Absatz noch einmal mit größter Aufmerksamkeit. Dieses Problem hatte sie schon den ganzen Vormittag lang gehabt: Wie sehr sie auch versuchte, sich auf Sir James' Briefe zu konzentrieren, sie schaffte es nicht, ihre Gedanken davon abzuhalten, sich in andere Richtungen zu verflüchtigen.
Nein, das stimmte nicht. Es gab nur eine Richtung, in die sie sich bewegten: Ivan Thornton. Ivan der Schreckliche. Ivan der Lästige. Ivan, der ihre Gedanken und ihren Körper auf die Folter spannte.
Mit frustriertem Seufzen wechselte Lucy ihre Stellung auf der harten Parkbank. Gegenüber blühte der Rhododendron verschwenderisch in weiß und rosa, die hohen Linden, die den Park säumten, ließen ihr frisches grünes Laub in der Sonne des Frühlingstages glänzen. Kecke Spatzen und Finken zankten sich in der Eiche zu ihrer Rechten, und ein graues Eichhörnchen, das vorbei-sprang, hielt kurz inne, um ihr einen hoffnungsvollen Blick zuzuwerfen.
Doch Lucys Geist befaßte sich weder mit Spatzen und Eichhörnchen, noch mit Blüten und Bäumen. Ivan Thornton besetzte all ihre Gedanken und weigerte sich, diesen Platz zu räumen.
Warum ließ sie das zu? Sie, die doch sonst so logisch und kontrolliert handelte, benahm sich
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