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Spiel Der Sehnsucht

Spiel Der Sehnsucht

Titel: Spiel Der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
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privaten Räume begeben.
    Was also sollte sie tun?
    Wider besseres Wissen zog Lucy den Spenzer wieder aus, warf sich das Tuch um die Schultern und zog es zurecht. Dann betrachtete sie sich in dem Ankleidespiegel, der in der Zimmerecke stand. Der Stoff nahm die Goldreflexe in ihrem dunklen Haar auf und unterstrich die Farbe ihrer Augen. Wie hatte Ivan einen so vollkom-menen Gegenstand gefunden? Und wann hatte er die Zeit gehabt, danach zu suchen?
    Nein, wichtiger war die Frage, weshalb er es getan hatte. Warum hatte er ihr nicht einfach ihren alten Schal zurückgegeben? Und warum hatte er diesen überhaupt an sich genommen?
    Weil er völlig unberechenbar war.
    Lucy zog den Schal von ihren Schultern und warf ihn auf das Bett. Sie mußte ihn zurückgeben. Ivan mußte einsehen, daß er nicht weiter mit ihr spielen konnte wie mit all den anderen Frauen. Er konnte sie nicht manipulieren wie ein kleines Mädchen.
    Vielleicht sollte sie ihn statt dessen wissen lassen, daß er es war, der manipuliert wurde, und zwar von seiner Großmutter. Das würde ihn wütend machen! Leider würde es auch Lady Westcott wütend machen, und das durfte Lucy nicht riskieren, wenn sie in der Stadt bleiben wollte.
    Sie starrte auf den Schal und überlegte. Sie mußte ihn verstecken, bis sich eine Gelegenheit fände, ihn zurück-zugeben. Die Dienstmädchen durften die Schachtel nicht sehen, sonst gäbe es Gerede.
    Vorsichtig legte sie das Tuch zurück in die Schachtel, drückte den Deckel darauf und schob alles unter das Bett. Sie nahm sich vor, heute auf keinen Fall mehr an Ivan Thornton zu denken. Energisch schlüpfte sie in die Ärmel ihres jagdgrünen Spenzers, schnappte ihr Stroh-hütchen und befestigte die Bänder unter dem Kinn. Sie hatte schon so lange auf die Begegnung mit Sir James gewartet, und keinesfalls wollte sie sich diesen bedeutenden Tag von einem arroganten Zigeuner verderben lassen.
    Sie stöberte in einer ihrer Hutschachteln und zog das dünne Bündel Briefe von Sir James heraus. Sie wollte in den Berkeley Square Park gehen, sich eine ruhige Bank suchen und alle Briefe ihres Idols noch einmal lesen. Sie wollte sich auf den wahren Zweck ihres Aufenthalts in London besinnen und den Grafen von Westcott auf den Platz verweisen, der ihm zustand. Er war ein charmanter Lebemann, ein geübter Verführer, und es geziemte jeder jungen Frau zu lernen, wie man mit solchen Männern umzugehen hatte. Ivans Aufmerksamkeiten eine tiefere Bedeutung beizumessen hieße sich zum Narren zu machen - gleichgültig, wieviel Mitleid man mit seiner schlimmen Kindheit hatte.
    Ivan beobachtete vom Fenster aus, wie Miss Drysdale über die glatt gepflasterte Straße zum Park in der Mitte des Platzes ging. Wie er es erwartet hatte, trug sie den Schal nicht, den er ihr gesandt hatte. Jede andere ledige Frau aus seinem Bekanntenkreis hätte ihn getragen, hätte ihn vor der ganzen Gesellschaft hin-und hergeschwenkt, um ja sicherzustellen, daß jedermann erfuhr, von wem er kam.
    Doch nicht Miss Drysdale.
    Nicht Miss Drysdale, die jetzt so zielsicher die Straße hinabschritt. Die sich prüde kleidete, aber wie eine Kurtisane küßte. Die der Mittelpunkt eines jeden Balles hätte sein können, es statt dessen aber vorzog, eine muffige Vorlesung anzuhören.
    Er ließ den Vorhang fallen und betrachtete seinen fast nackten Körper. Er war erregt, das war nicht zu übersehen. Allein zu beobachten, wie dieses eigensinnige Wesen über die Straße ging und hinter den Büschen des Parks verschwand, erregte ihn wie einen grünen Jüngling, der zum ersten Mal verliebt war.
    Nur war es keine Verliebtheit. Es war reine Lust, die er für diese blaustrümpfige Miss Drysdale empfand, schlichte, pure Lust.
    »Ihr Bad ist bereitet«, verkündete ein Diener hinter ihm.
    »Danke, Sie können gehen.« Seinen lose umgelegten Morgenmantel in Gegenwart seines Kammerdieners abzulegen und diesem den pikanten Zustand seines Körpers zu enthüllen, war das letzte, was Ivan wollte. Zwar würde der Mann den Grund dieser Erregung nicht kennen, doch Ivan wollte seine Gefühle, die sich so deutlich offenbarten, für sich behalten.
    Zu schade, daß Lucy nicht sehen konnte, was sie da angerichtet hatte.
    Die Tür schloß sich hinter dem Diener, und Ivan schaffte sich durch einen Fluch ein wenig Erleichterung.
    Dieses verwünschte Biest!
    Er warf seinen Morgenmantel ab und stieg in die Wanne. Dann ließ er sich in das dampfende Wasser gleiten. Es war siedend heiß, doch seine widerspenstige

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