Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiel Der Sehnsucht

Spiel Der Sehnsucht

Titel: Spiel Der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
zu sehr verletzt, um ihren Emotionen zu trauen. »Wenn Sie uns begleiten wollten, so hätten Sie uns einfach fragen können.«
    »Und Sie hätten freudig zugestimmt, nicht wahr, Lu-cy?«
    »Nennen Sie mich nicht so!« fauchte sie. Valerie blickte erstaunt auf, und Lucy zwang sich zur Ruhe. »Sie könnten sich nützlich machen, Mylord, indem Sie unsere Kutsche rufen.«
    »Auch das noch«, antwortete der Unverschämte und zwinkerte ihr zu. Doch er tat, worum sie ihn gebeten hatte. Während der wenigen Minuten, die Lucy mit Valerie vor dem Gebäude wartete, überlegte sie, wie sie sich angesichts Valeries Verliebtheit verhalten sollte. Sie wollte dem Mädchen in strengen Worten darlegen, daß es sich von Sir James fernhalten solle, da dieser nicht der Richtige sei und obendrein Valeries Familie ihr niemals erlauben würde, einen armen Gelehrten zu heiraten.
    Andererseits, so vermutete Lucy, würde eine Gardi-nenpredigt Valeries keimende Gefühle möglicherweise noch verstärken. Nein, besser wäre es, Valeries Schwärmerei für den jungen Gelehrten als das zu behandeln, was sie war: eben nur eine Schwärmerei. Eine vorübergehende Schwäche. Männer hatten so was dauernd, warum sollte es einer Frau nicht ebenso gehen?
    Trotzdem wollte Lucy auf Nummer sicher gehen und Valerie am Donnerstag so weit wie möglich von der Fatuielle Hall fernhalten, und ebenso an allen anderen Vorle-sungsdaten.
    Als habe sie Lucys Gedanken gelesen, seufzte Valerie: »Ich kann den Donnerstag kaum noch erwarten.«
    »Ich bin nicht sicher, ob wir jede Vorlesung besuchen können«, sagte Lucy vorsichtig. »Wir müssen abwarten, was Lady Westcott für Sie geplant hat.«
    »Aber Sie müssen sie überzeugen!« bat Valerie.
    Was Valerie sonst noch sagte, hörte Lucy nicht mehr, denn die Kutsche ratterte heran. Zu ihrem Mißvergnü-
    gen mußte Lucy feststellen, daß Ivan sein Reittier hinten angebunden hatte. Wollte er etwa mit ihnen nach Hause fahren?
    Trotz der Abendkühle fühlte sie einen Schweißtropfen zwischen ihren Brüsten herabrollen.
    Sie war ihm heute abend nicht gewachsen, das wußte sie. Dazu waren ihre Gefühle zu wirr. Erst die Enttäuschung über Sir James, dann die Besorgnis über Valeries Neigung und schließlich noch das Bewußtsein ihrer eigenen Reaktion auf Ivan. Obwohl sie ihn verabscheute, schaffte er es immer wieder, ihre primitivsten Gefühle zu wecken.
    Und nun hatte er es sich in den Kopf gesetzt, Valerie und Sir James als erstrebenswertes Paar zu fördern. Mit absoluter Zielsicherheit traf er immer wieder Lucys empfindliche Stellen. Und die Möglichkeit, daß Valerie sich Sir James schnappte, war eine von Lucys empfindlichsten Stellen.
    Doch ob nun Lucy Ivan gewachsen war oder nicht; er beabsichtigte jedenfalls, die Kutsche mit ihnen zu teilen.
    Er half zuerst der abwesend lächelnden Valerie hinein, die sich vor ihm nicht mehr zu fürchten schien, nachdem er seinen eisernen Willen nicht mehr auf sie, sondern auf Lucy richtete. Lucy fragte sich, ob er plante, seine Groß-
    mutter zu verärgern, indem er seine Aufmerksamkeit nicht seiner hübschen jungen Kusine, sondern deren Anstandsdame schenkte.
    Sie fühlte sich aufgerieben zwischen der ränkeschmie-denden alten Frau und deren boshaftem Enkel.
    Stirnrunzelnd setzte sie den Fuß auf das Trittbrett. Als Ivan sie jedoch leicht am Handgelenk faßte, verfinsterte sich ihr Gesicht vollends.
    »Sie sehen aus«, sagte Ivan, »als wären Sie mit dem Verlauf des heutigen Abends nicht zufrieden. Ich hoffe, daß Sir James' Vorlesung keine Enttäuschung für Sie war.«
    »Ganz im Gegenteil«, erwiderte Lucy und reckte krie-gerisch das Kinn vor, »ich war von seiner Deutung unserer nationalen Verstrickung in die Klassenunterschiede fasziniert.«
    »Sie sind selbst Teil dieses Systems, das er angreift.«
    »Ebenso wie Sie.«
    »Nur durch Mißgeschick.«
    »Das ließe sich von jedem sagen, der einen Titel oder Land oder auch nur ein größeres Vermögen besitzt. Jeder, der erbt, erbt nur, weil kein anderer einen größeren Anspruch auf dieses Erbe geltend machen kann.«
    »Ja. Aber Sie sprechen von Menschen, die das, was sie als ihr ihnen zustehendes Erbe betrachten, mit Klauen und Zähnen verteidigen. Meine Lage könnte nicht gegenteiliger sein.«
    »Aber das Ergebnis ist doch dasselbe. Ich stelle fest, Mylord, daß Sie die Bürde Ihres Titels ebensogut tragen wie alle Ihre Standesgenossen.«
    Ivan hob erstaunt die Augenbrauen. »Was heißt das?
    Ich traue meinen Ohren nicht. Haben

Weitere Kostenlose Bücher