Spiel Der Sehnsucht
Groschen sein eigen und hat dabei drei Töchter zu verheiraten. Sehr gut, Miss Drysdale; diese Dinnerparty könnte doch noch ein Erfolg werden.«
Das war mehr als fraglich, fand Lucy, behielt ihre Meinung aber klug für sich. Trotzdem blieb da immer noch Sir James. »Ich glaube nicht, daß wir Sir James von der Liste streichen können. Ivan hat ihm bereits eine persönliche Einladung ausgesprochen.«
Lady Westcott zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich kann er bei einer einzigen Dinnerparty nicht viel Schaden anrichten, besonders, wenn Sie sich speziell um ihn kümmern. Wir müssen unsere Sitzordnung sehr gut durchdenken. Wären Sie jetzt so freundlich, meinen Sekretär zu rufen?«
Am Abend der Dinnerparty kleidete Lucy sich mit besonderer Sorgfalt an.
Sie war nicht zu Sir James' dritter Vorlesung gegangen.
Statt dessen hatten sie und Valerie Lady Westcott ins Theater begleitet. Trotzdem bedauerte Lucy es nicht sehr, die Lektion verpaßt zu haben. Und sie war auch nicht besonders glücklich bei der Aussicht auf den langen Abend, den sie heute an der Seite von Sir James verbringen mußte. Doch wenigstens hatte sie genügend Gesprächsstoff für eine Unterhaltung mit ihm. Einige Fragen über die versäumte Vorlesung, und schon würde er mit seinem Lieblingsthema loslegen. Sie brauchte dann nur noch an den passenden Stellen zu nicken.
Warum also hatte sie den größten Teil des Nachmittags damit verbracht, ihr Haar zu waschen und zu trocknen, indem sie auf einem sonnigen Fleckchen im Garten saß und es ständig bürstete?
Sie war immer ein wenig stolz darauf gewesen, daß ihr üppiges Haar glänzte wie poliertes Mahagoni. Doch weshalb die Mühe heute? Ihr Haar war zu einer schlichten Frisur aufgesteckt, wie es sich für eine Anstandsdame gehörte. Außer einigen verspielten lockigen Strähnen im Nacken war die Frisur ausgesprochen streng.
Doch auch, wenn sie es lose über ihre Schultern fallen ließe, was spielte das schon für eine Rolle? Es gab bei diesem Dinner niemanden, den sie zu beeindrucken wünschte. Sir James würde es nicht einmal bemerken -
was ihr auch ganz egal war.
Natürlich mußte man immer mit einem Kompliment von Ivan rechnen. Doch darauf durfte man nichts geben.
Aber trotz aller Niedergeschlagenheit betrachtete Lucy sich, nachdem sie angekleidet war, kritisch im Spiegel.
Ihre Schuhe waren frisch poliert, ihr flaschengrünes Kleid aus indischem Musselin war frisch ausgebürstet und dann mit Rosenwasser gebügelt worden. Sie trug ihre Lieblingsohrstecker aus Gold und Aquamarin und ein Paar sehr weiblicher, fingerloser Spitzenhandschuhe.
Was jetzt noch fehlte, um ihrer Aufmachung den letzten Schliff zu geben, war ein herrliches Seidentuch ...
Lucy stöhnte laut auf. Woher war dieser idiotische Gedanke in ihren Kopf geschossen? Niemals wollte sie diesen Schal tragen. Natürlich war er wundervoll, aber die Art, wie er in ihren Besitz gelangt war, war entschieden ungehörig. Sie mußte ihn so schnell wie möglich zurückgeben.
Und doch war der Schal nicht das drängendste Problem. Das war ihre Erscheinung, denn ihr Gesicht, obwohl nicht gepudert und geschminkt, zeigte trotzdem eine so lebhafte Farbe, als habe sie ihre Wangen und Lippen mit Karmesin geschminkt.
Lucy seufzte. Sie sah aus wie ein errötender Backfisch, und für eine Frau ihres Alters war das keineswegs erstrebenswert. Sie bedachte ihr Spiegelbild mit einem letzten Stirnrunzeln und verließ ihr Zimmer. Als sie die Hälfte der Stufen nach unten zurückgelegt hatte, hielt sie inne.
Ivan befand sich schon in der Halle. Lady Westcott hatte verlangt, daß sie sich alle zur Begrüßung in Reihe aufstellten, und Lucy hatte gezweifelt, ob Ivan sich diesem Diktat beugen würde. Und nun stand er zu ihrer Überraschung bereits da.
Das Herz schlug ihr bis zum Halse, als sie sich zwang, gemessenen Schrittes unter seinen beobachtenden Augen die verbleibenden Stufen hinabzusteigen.
Er kam zum Fuß der Treppe, so daß sie auf der letzten Stufe stehenbleiben mußte. Sie befanden sich jetzt auf gleicher Augenhöhe. Doch obwohl sie nun nicht wie sonst zu ihm aufblicken mußte, fühlte sie sich klein, zerbrechlich und verletzlich.
»Sie sehen heute wunderhübsch aus, Lucy.«
Lucy begann zu schwitzen, als sei der Hauch eines heißen Wüstenwindes über sie hinweggefegt. »Danke.
Aber Sie selbst sehen auch sehr gut aus.« Verwirrend, herzzerreißend, unglaublich gut, dachte sie.
Der Augenblick zog sich in die Länge. Ivan bewegte sich nicht,
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