Spiel der Teufel
Öffentlichkeit darf
nichts davon erfahren, und wer zu einem Sicherheitsrisiko
wird, der wird liquidiert.«
»Aber warum gehen die unter Zwang rekrutierten Ärzte
nicht ...«
»Sören, tu mir bitte einen Gefallen und schlaf und denk morgen,
nein, heute drüber nach.«
»Ich kann nicht schlafen, wenn es da oben rotiert«, sagte er und
tippte sich an die Stirn.
»Du nervst, weißt du das? Wie sollen sich denn die Arzte zusammenschließen?
Oder glaubst du allen Ernstes, dass die alle
zur selben Zeit am selben Ort sind? Da kennt keiner den andern,
stell ich mir zumindest so vor. Mann, jetzt bin ich wieder
wach und muss mal.«
»Ich auch.« Er wartete vor der Badezimmertür, bis Lisa herauskam,
und sagte: »Und wenn man der Presse mal einen Tipp
geben würde?«
»Ohne handfeste Beweise würden die überhaupt nichts unternehmen.
Das ist ein viel zu heißes Eisen. Und jetzt lass mich
bitte schlafen. Bitte, bitte, bitte.«
»Ist ja gut.«
MITTWOCH, 23.15 UHR
Der Frachter aus Tallinn legte mit gut einer Stunde Verspätung
an. Zwei Limousinen, drei Transporter und ein Truck standen
seit zweiundzwanzig Uhr bereit, mehrere Männer, unter ihnen
Igor, Peter und Oleg, unterhielten sich und rauchten. Es war
sehr kühl geworden, der Himmel bedeckt, immer wieder fielen
ein paar Tropfen aus den dichten Wolken. Die Frachtpapiere
waren längst abgestempelt worden, die Zollbeamten hatten
sich zurückgezogen.
Einer der Container wurde mit einem Kran vom Schiff geholt
und auf den Truck geladen, der nur wenige Minuten später das
Hafengelände verließ, gefolgt von den andern Autos. Auf dem
verwaisten Gelände einer ehemaligen Spedition hielten sie. Der
Container, in dem sich achtzehn Personen befanden, wurde geöffnet. Igor, Peter und Oleg betraten ihn und leuchteten mit
einer Taschenlampe in die Gesichter. Auf einem Blatt Papier
waren Namen vermerkt.
»In Ordnung«, sagte Igor, »es ist alles okay. Sie sollen rauskommen.
«
Nach und nach setzten sich die Jungs und Mädchen, die jungen
Frauen und Männer in Bewegung, die meisten von ihnen noch
wacklig auf den Beinen. Sie wankten noch unter dem Einfluss
von Betäubungsmitteln heraus. Fünf Kinder mussten getragen
werden, weil sie nicht allein gehen konnten oder noch schliefen.
»Willkommen in Deutschland«, begrüßte Igor die Eingetroffenen,
von denen jeder ein Namensschild auf der Brust trug,
auf Russisch. »Willkommen im gelobten Land. Ich hoffe, ihr
hattet eine angenehme Reise.«
Eine junge Frau von siebzehn oder achtzehn Jahren, die als
Einzige erstaunlich frisch wirkte, warf ihm einen misstrauischen
Blick zu und sagte: »Wo sind wir?«
»Wir bringen euch gleich in eure Unterkunft, wo ihr über
Nacht bleibt. Morgen geht's dann weiter nach Berlin.«
»Warum habt ihr uns Schlafmittel gegeben?«, wollte sie wissen.
»Es war eine lange Fahrt, und viele bekommen in einem solchen
Container Platzangst und fangen an zu schreien. Wir machen
das immer so, es ist nur zu eurem Besten. Freut euch lieber, denn
nun fängt euer neues Leben an. Und jetzt rein da«, sagte er mit
einem Mal barsch und deutete auf die Transporter. »Und keine
weiteren Fragen mehr, hebt euch die für nachher auf.«
»Was habt ihr mit uns vor?«
»Hab ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt? Keine Fragen
mehr, kapiert?! Wie heißt du?«
»Alexandra.«
»Okay, Alexandra, du bist ein hübsches Mädchen und hast diese
Fahrt geschenkt bekommen. Also sei still und tu, was ich dir
sage.«
Alexandras Augen weiteten sich vor Angst, eine Angst, die sie
schon verspürte, als sie in St. Petersburg in den Container steigen
musste.
»Ihr bringt uns nicht nach Berlin, oder?«, stieß sie hervor, als
würde sie ahnen, dass ihre schlimmsten Befürchtungen sich bewahrheiteten.
Etwas hatte ihr gesagt, diese Reise nicht anzutreten,
nicht auf die verlockenden Versprechungen hereinzufallen.
Ein Studienplatz in Berlin, eine Unterkunft bei einer netten Familie,
genug zu essen und zu trinken, ein eigenes Zimmer, das
Haus sauber halten, sich um die Kinder kümmern, mehr Taschengeld,
als ihr Vater in einem Monat verdiente und womit er
sechs Personen ernähren musste. Es hatte sich alles so schön
angehört, die Frau war so nett gewesen und hatte so sehr von
Deutschland geschwärmt, und doch hatte Alexandra ein ungutes
Gefühl gehabt, aber die Aussicht auf ein besseres Leben,
eine bessere Zukunft hatte dieses Gefühl, diese innere Stimme
einfach blockiert. Und
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