Spiel der Teufel
nun war es zu spät. Sie war in einem
fremden Land, dessen Sprache sie zwar sprach, aber längst
nicht beherrschte, es war dunkel und nieselte, eine unheimliche
Atmosphäre. Am liebsten wäre sie davongerannt, irgendwohin,
wo sie sicher war, aber sie war umgeben von Männern, die
sich wie ein undurchdringlicher Ring von Bluthunden um die
Gruppe geschart hatten.
Bevor sie sichs versah, landete Igors Hand in ihrem Gesicht.
Sie fiel zu Boden und wollte schon schreien, als er ihr mit einem
Schuh auf den Hals trat und zischte: »Hast du noch immer
nicht kapiert, was ich gesagt habe? Ich will kein Wort mehr
hören, sonst bekommst du noch mal eins in deine hübsche
Fresse. Los jetzt, steh auf, wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Oleg kam zu ihm und sagte: »Hör auf damit, du weißt, dass die
Chefin das verboten hat. Beherrsch dich gefälligst.«
»Ach, halt's Maul! Die sollen einfach keine blöden Fragen
stellen.«
»Ich hab dich nur gewarnt, das nächste Mal bist du dran.«
»Willst du mir drohen?«, entgegnete Igor und baute seinen
bulligen Körper vor dem etwa zehn Zentimeter kleineren
Oleg auf.
»Der Einzige, der hier droht, bist du. Wie gesagt, ich hab dich
nur gewarnt.«
»Leck mich am Arsch, du kleiner Wichser.«
Nach kaum zehn Minuten waren alle in den Transportern, die
sich auf den Weg Richtung Heikendorf machten - die Kinder
getrennt von den Jugendlichen und diese von den Alteren.
Alexandra schluchzte vor sich hin, bis Igor ihr ohne Vorwarnung
einen weiteren Schlag versetzte, woraufhin sie verstummte.
Blut tropfte aus ihrer Nase auf die Jacke und die Hose. Igor
reichte ihr wortlos ein Taschentuch und meinte, als ihm bewusst
wurde, dass er zu weit gegangen war: »Hier, nimm. Tut
mir leid, aber ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir. Ich
wollte dir nicht weh tun.«
»Das hast du aber. Warum hast du mich geschlagen?«
»Frag nicht so viel, sieh lieber zu, dass das Nasenbluten aufhört.
Haben sie dir nicht genug gegeben?«
»Was denn?«
»Schlafmittel, was sonst?«
Allmählich kamen auch die andern zu sich, doch die meisten
registrierten nicht, was um sie herum vorging. Nur zwanzig
Minuten später erreichten sie ihr Ziel. Alle Personen wurden
von Igor und seinen Begleitern in einen großen fensterlosen
Raum im Untergeschoss geführt, in dem sich mehrere Hochbetten,
ein breites Sofa, fünf Sessel und ein großer Tisch mit
achtzehn Stühlen darum befanden. Das Licht war grell, fast
gleißend. Die meisten kniffen die Augen zu oder hielten die
Hände vors Gesicht, denn nach der langen Fahrt in Dunkelheit
und der erst langsam einsetzenden Wachheit tat dieses Licht
ihren Augen so weh, als würden spitze Nadeln hineingestochen. Die Wände waren in einem angenehm sanften Gelb gestrichen,
ein paar Bilder und ein großes Aquarium schafften
eine wohnliche, beruhigende Atmosphäre.
Alexandra setzte sich leise wimmernd und am ganzen Körper
zitternd auf eines der Betten, Igor, Oleg und Peter standen wie
Wachhunde nebeneinander an der Tür. Nachdem alle wach
waren, auch die Kinder, sagte Igor: »Ihr übernachtet hier.
Gleich wird jemand kommen und euch noch einmal ganz offiziell
begrüßen.« Zwei kleine blonde Jungs mit hellblauen und
sehr traurigen, verängstigten Augen, Zwillinge im Alter von
höchstens fünf Jahren, begannen gleichzeitig zu weinen. »Kann
sich mal einer von euch um die beiden kümmern?«
Eine junge Frau nahm die zwei bei der Hand, führte sie zum
Sofa, setzte sich zwischen sie und legte ihre Arme um sie. Sie
sang leise ein Lied, und kurz darauf hörten die Kinder auf zu
weinen. Sie zitterten und steckten beide den Daumen in den
Mund.
»Wie heißt ihr?«, fragte sie.
»Pjotr«, sagte der eine, »und das ist mein Bruder Sascha.«
»Und wie alt seid ihr? Vier, fünf?«
»Vier«, antwortete Pjotr schüchtern und hielt die rechte Hand
hoch, vier Finger ausgestreckt.
»Dann seid ihr aber schon ganz schön groß. Und wenn ich
euch so recht ansehe, seid ihr Zwillinge?«
Pjotr, der schnell Zutrauen zu der jungen Frau hatte, nickte.
Auch Sascha sah sie mit großen Augen an und schien sich sichtlich
wohl und geborgen in ihrem Arm zu fühlen.
Sie richtete ihren Blick auf Igor und sagte: »Was machen diese
Kinder hier? Habt ihr nicht wenigstens eine Betreuung für
sie?«
»Du bist die Betreuung, alles andere erfährst du gleich. Und
jetzt bitte ich alle um Ruhe, keinem passiert etwas, keiner
kommt zu Schaden.«
»Und warum hast du sie
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