Spiel der Teufel
die Kinder schliefen, noch einen kleinen Spaziergang
machen.
»Tut mir leid, das habe ich ganz vergessen, aber die Herrschaften
waren vorhin schon hier und sagen, es sei äußerst
dringend«, erklärte Frau Mattern, der die Situation sichtbar
peinlich war. Sie war eine Perle, immer höflich, immer korrekt,
fast penibel. Uber die Fehler anderer sah sie generös
hinweg, eigene Fehler, und wenn es nur die Winzigkeit eines
vergessenen Termins war, konnte sie sich kaum verzeihen.
»Ich habe gesagt, sie sollen zwischen sieben und halb acht
wiederkommen.
»Also gut, aber viel Zeit habe ich nicht. Sie hätten einen Termin
machen sollen, Herr und Frau ...«
»Es wird nicht lange dauern«, sagte der Mann mit slawischem
Akzent, ohne die Frage nach dem Namen zu beantworten,
während die Frau, eine Eurasierin von mittlerer Größe, Loose
schweigend musterte. Um ihren Mund war ein leicht spöttischer
Zug, den Loose nicht zu deuten wusste. »Es geht um
meine Mutter und ... Wir können aber auch morgen wiederkommen,
wenn es Ihnen dann besser passt.«
Loose holte tief Luft und meinte: »Also gut, folgen Sie mir
bitte.« Er wartete, bis das ungleiche Paar in seinem Büro war,
schloss die Tür hinter sich und deutete auf zwei Ledersessel,
während er hinter seinem Schreibtisch Platz nahm und sich
zurücklehnte. »Was kann ich für Sie beziehungsweise Ihre
Mutter tun?«
»Sie braucht dringend ein neues Herz«, sagte der Mann, der
noch immer keine Anstalten machte, sich vorzustellen.
»Herr ...«
»Nennen Sie mich einfach Igor, meinen Nachnamen könnten
Sie sowieso nicht aussprechen.«
»Also, Herr Igor, um es kurz zu machen, um ein neues Herz zu
bekommen, muss Ihre Frau Mutter auf der Empfängerliste von
Eurotransplant stehen, was Ihnen bekannt sein dürfte. Hat sie
die deutsche Staatsangehörigkeit, oder ist sie Angehörige eines
EU-Mitgliedsstaates?«
»Nein, sie ist Russin«, antwortete Igor, ein großgewachsener
bulliger Mann, dessen Alter schwer zu schätzen war. Er konnte
dreißig, aber auch bereits über vierzig sein. Er hatte sehr kurz
geschnittene hellbraune Haare, blaue Augen und trug einen zu
ihm passenden Dreitagebart. »Ist das ein Problem?«
»Allerdings. Wenn Ihre Frau Mutter ein neues Herz benötigt,
muss sie sich an die zuständigen Stellen in Russland wenden.
Es tut mir leid, aber mir sind die Hände gebunden.«
Igor warf seiner Begleiterin einen Blick zu, die keine Miene
verzog. Mit einem Mal lächelte er. »Ich glaube nicht, dass Ihnen
die Hände gebunden sind. Wir haben erfahren, dass Sie
einer der besten Herzchirurgen in Deutschland sind und schon
viele Transplantationen vorgenommen haben«, sagte er in einwandfreiem
Deutsch. »Ihnen als Leiter dieser Klinik wird doch
bestimmt etwas einfallen.«
»Nein, Herr ... Igor mir fällt ganz sicher nichts ein. Es tut
mir leid für Ihre Mutter, aber wie schon gesagt, mir sind aufgrund
der gesetzlichen Bestimmungen die Hände gebunden.
Nicht ich bestimme, wer ein Herz bekommt, sondern Eurotransplant.
Selbst wenn wir einen Weg finden würden, Ihre
Mutter auf die Liste zu setzen, müsste sie mindestens ein, vielleicht
auch zwei Jahre warten, bis ein Spenderherz zur Verfügung
steht.«
»Und wenn wir bereits ein Herz hätten?«, fragte Igor und betrachtete
seine sauber manikürten Fingernägel. Sowohl Igor als
auch seine Begleiterin waren äußerst gepflegte Erscheinungen.
»Wie soll ich das verstehen?«
»So, wie ich es gesagt habe.«
Loose beugte sich nach vorn, die Hände gefaltet, und sah Igor
durchdringend an. »Woher haben Sie ein Herz?«
»Ich habe es, das müsste Ihnen reichen.«
»Hören Sie, ich leite eine sehr renommierte Klinik, und ich
führe grundsätzlich keine illegalen Transplantationen durch,
damit wir uns recht verstehen«, sagte Loose scharf und unmissverständlich.
»Und nun entschuldigen Sie mich bitte, ich
habe einen langen Tag hinter mir.«
»Bleiben Sie sitzen«, sagte Igor ruhig, »meine Begleiterin und
ich sind noch nicht fertig. Sie sind eine Koryphäe auf Ihrem
Gebiet und werden doch nicht so unhöflich sein, eine höflich
vorgetragene Bitte einfach abzuschlagen, oder? Das würde
meine sensible russische Seele sehr verletzen.« Dabei legte er
eine Hand auf die Brust.
»Was wollen Sie wirklich?«, fragte Loose mit zusammengekniffenen
Augen, den Kopf leicht zur Seite geneigt.
»Ihre Hilfe, nichts weiter. Ist Frau Mattern noch da?«
»Und wenn?«
Ohne darauf einzugehen,
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