Spiel der Teufel
gefragt, ob ihr euch nicht mal wieder treffen wollt. Er hat
versucht, dich in der Klinik zu erreichen, aber du warst im OP.
Du sollst dich doch bitte mal bei ihm melden.«
»Hat er sonst was gewollt?«
»Nein, warum?«
»Nur so. Heute klappt's jedenfalls nicht, weil es bei mir sehr
spät werden kann. Vielleicht morgen.«
»Ihr habt euch lange nicht gesehen, hat er zumindest gesagt.«
»So vor einem Monat, genau weiß ich's nicht mehr. Wir haben
eben beide viel zu tun.«
»Ihr seid doch Freunde.«
»Ja, und ich ruf ihn auch bestimmt so bald wie möglich an.
Zufrieden?«, sagte er gereizt, woraufhin Kerstin sichtlich erschrocken
aufblickte.
»Entschuldigung, dass ich das überhaupt erwähnt habe ...«
»He, es tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe, mir
wächst im Moment einfach alles über den Kopf.«
»Kann ich dir irgendwie helfen?«
»Nein, außerdem geht das auch wieder vorüber«, antwortete er
schulterzuckend. »Und mit dem Abendessen wartest du besser
nicht auf mich, es könnte spät werden.«
»Wie spät?«, fragte sie verwundert.
»Zehn oder elf. Ist aber eine Ausnahme.«
Er hatte ein Brötchen gegessen und eine Tasse Kaffee getrunken,
stand auf, zog seine Jacke über und nahm seine Tasche.
Kerstin begleitete ihn zur Tür und sagte: »Pass auf dich auf.«
Danach gab sie ihm einen Kuss, er lächelte ihr noch einmal zu
und ging zu seinem Auto. Er fuhr los, das große Tor öffnete
sich automatisch. Nach wenigen hundert Metern hielt er am
Straßenrand und nahm zwei Tabletten, die ihn während der
nächsten Stunden wach halten würden. Gegen Mittag würde er
noch einmal zwei nehmen. Es war das erste Mal seit langem,
dass er zu so was griff, denn normalerweise nahm er weder
Beruhigungs- noch Aufputschmittel zu sich.
Um Punkt halb neun betrat er die Klinik, stieg die Treppe in
den ersten Stock hinauf, wo sich sein Büro befand, begrüßte
Frau Mattern, besprach mit ihr kurz den Tagesplan und teilte
ihr mit, dass er um halb fünf die Klinik verlassen würde. Sie
fragte nicht, was er vorhatte, doch ihr Blick sagte mehr als tausend
Worte, war sie doch gewohnt, dass ihr Chef nie früher als
achtzehn Uhr die Tür hinter sich zumachte.
Auf seinem Schreibtisch fand er die Notiz, dass sein alter
Freund Gregor Stein ihn zu erreichen versucht hatte. Gregor,
dachte er, er wäre der Einzige, dem ich mich anvertrauen würde.
Mal sehen.
Er machte sich für die erste OP fertig. Seine Hände zitterten
leicht. Er mahnte sich zur Ruhe, nahm noch eine Tablette, wartete
einen Augenblick, bis die Wirkung eintrat, und begab sich
zum Operationssaal. Er hatte Angst.
MITTWOCH, 8.15 UHR
»Was sollte die Aktion letzte Nacht? Ich hatte mich doch unmissverständlich
ausgedrückt, dass Ti Le professionell entsorgt
wird. Und jetzt muss ich erfahren, dass ihr sie einfach
am Hafen abgelegt habt. Das ist eine Riesensauerei, denn die
Bullen sind nicht blöd. Die werden sofort eine Verbindung
herstellen. Und genau das ist es, was wir unter allen Umständen
vermeiden wollten. Ti Le hat schlampig gearbeitet, deshalb
musste sie sterben. Aber ihr wart keinen Deut besser, im
Gegenteil, denn ihr habt der Firma großen Schaden zugefügt,
wie groß, das werden die nächsten Tage zeigen. Wer ist verantwortlich?
«
»Du hast gesagt, wir sollen sie umlegen und entsorgen«, versuchte
sich einer der Angesprochenen zu verteidigen, wobei
sein Blick unruhig umherschweifte. »Außerdem haben wir sie
gar nicht umgelegt, sie war schon tot, als wir zum Hafen kamen.
Das ist die Wahrheit!«
»So, sie war also schon tot. Was für seltsame Zufälle es doch
gibt. Und ihr habt sie mal so rein zufällig am Hafen gefunden.
«
»Nein, nicht zufällig, wir sind doch dort hinbestellt worden.
Jemand hat uns angerufen, und die Stimme hat sich angehört
wie deine und ...«
»Was soll diese alberne Geschichte? Ich habe euch nicht angerufen,
denn es gab nichts mehr zu besprechen.«
»Es ist keine Geschichte, ich schwöre es.«
»Alex, lieber Alex, wie lange bist du in dem Geschäft? Einen
Tag?«
»Ein paar Jahre. Warum?«
»Ein paar Jahre. Nach ein paar Jahren solltest du aber wissen,
wie das funktioniert. Und Lügen funktionieren schon mal gar
nicht. Du hast einen großen Fehler begangen, und ich frage
mich, wie du den wieder ausbügeln willst. Sag's mir, Alex.«
»Ich habe keinen Fehler gemacht, sondern nur Anweisungen
befolgt. Wenn sie nicht von dir kamen, dann tut es mir leid. Ich
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