Spiel der Teufel
UHR
»Hab ich nicht schon alles beantwortet, was ihr wissen wolltet?
«, fragte Nina mit gekräuselter Stirn, nachdem Henning
und Santos eingetreten waren. Sie wirkte abgehetzt, als wäre
sie gerade erst zur Tür hereingekommen und hätte einen langen
und anstrengenden Vormittag hinter sich.
»Letzte Nacht schon«, erwiderte Henning, »doch inzwischen
sind neue Fakten aufgetaucht und damit auch neue Fragen.
Dürfen wir uns setzen?«
»Natürlich«, sagte Nina. »Möchtet ihr was trinken? Einen
Kaffee vielleicht? Du siehst ziemlich müde aus«, bemerkte sie
mit Blick auf Henning.
»Danke, das wäre sehr nett. Ich will dir aber keine Umstände
bereiten.«
»Das sind keine Umstände«, entgegnete sie und verschwand in
der Küche.
Henning lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er verspürte
leichte Schmerzen in der linken Schläfe, meist ein Zeichen
für eine aufkommende Migräne, das Letzte, was er jetzt
gebrauchen konnte.
»Hast du was?«, fragte Santos.
»Nee, nur leichte Kopfschmerzen. Geht bestimmt gleich weg.«
»Willst du eine Tablette, ich hab welche dabei.«
Henning grinste und meinte mit noch geschlossenen Augen,
während er die Schläfe leicht mit den Fingerspitzen massierte:
»Gibt's eigentlich irgendwas, was ihr Frauen nicht dabeihabt?
Rück mal eine raus, schaden kann's nicht.«
Santos holte ihm ein Glas Wasser, und er schluckte die Tablette.
Nina kehrte wenig später mit einem Kännchen Milch aus der
Küche zurück, nahm drei Tassen, Untertassen und Teelöffel
aus dem Schrank und ein Schälchen mit Würfelzucker.
»Dauert noch einen Augenblick«, sagte sie, setzte sich in den
Sessel und schlug die Beine übereinander. »Ihr habt neue Fakten?
Dann lasst mal hören.«
»Wir können dir leider nichts über den Stand der laufenden
Ermittlungen mitteilen, aber wenn du so freundlich wärst, uns
ein paar Fragen zu beantworten?«
»Bitte.«
»Dürften wir einen Blick in eure Kontoauszüge werfen?«
»Oh, es geht also wieder um meine teure Uhr und das Auto
und das Haus«, entgegnete sie ironisch und beugte sich nach
vorn, die Hände gefaltet. »Was glaubt ihr zu finden? Ein paar
hunderttausend oder gar Millionen? Vergesst es, Gerd war
nicht korrupt, er hat auch keine Erbschaft gemacht oder im
Lotto gewonnen, sondern sich alles redlich verdient...«
»Er war nur ein Polizist wie Lisa und ich«, sagte Henning.
»Aber vielleicht konnte er einfach gut mit Geld umgehen.«
»Egal, welchen Rang jemand bei der Polizei hat, keiner kann
sich das leisten, was Gerd sich in letzter Zeit geleistet hat. Keiner,
Nina, keiner. Da kannst du noch so geizig sein, bei unserm
Gehalt sind keine großen Sprünge möglich. Außerdem sind
wir doch nicht hier, um uns zu streiten, sondern seinen Mörder
zu finden.«
»Ja, und trotzdem tut ihr so, als wäre Gerd ein Verbrecher gewesen,
auch wenn ihr's nicht direkt ausdrückt. Aber bitte, ich
werde den Ordner mit den Kontoauszügen holen, obwohl das
sehr privat ist.«
Als Nina das Zimmer verlassen hatte, sagte Santos leise: »Sie
benimmt sich heute irgendwie seltsam. So kühl.«
»Das würd ich nicht so ernst nehmen, sie ist einfach fertig. Versetz
dich mal in ihre Lage, falls das überhaupt möglich ist. Ich
kann's nicht, nicht mal ansatzweise.«
Nina kam die Treppe herunter und reichte Henning wortlos
den Ordner, holte den Kaffee in der Küche und schenkte ebenso
wortlos ein.
»Danke«, sagte Henning und blätterte die Auszüge durch, wobei
Santos näher an ihn heranrückte und mitlas.
»Wer hat sich bei euch um die Geldangelegenheiten gekümmert?
«, fragte Santos.
»Gerd. Ich konnte noch nie besonders gut mit Geld umgehen,
und deshalb habe ich ihn auch nie gefragt, wie viel er verdient
und was wir monatlich so zu zahlen haben. Das ist die Wahrheit.
«
»Aber du weißt schon, wie hoch die monatliche Rate für das
Haus ist«, sagte Henning.
»So um die fünfhundert Euro.«
Er legte den Ordner auf den Tisch und fragte: »Das sind alle
Auszüge?«
»Ja, warum?«, fragte Nina mit hochgezogenen Brauen zurück.
»Da sind nur die ganz normalen Einnahmen und Ausgaben
aufgeführt, das Gehalt, das Haus, die Versicherungen, Strom
und so weiter.«
»Ja, und?«
»Den BMW und die Uhr wird er ja wohl nicht geschenkt
bekommen haben. Und vom Himmel sind sie ganz sicher
auch nicht gefallen. So leid es mir tut, Nina, aber etwas
stimmt hier nicht. Es sei denn, Gerd hatte noch ein zweites
Konto, von dem du nichts
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