Spiel des Schicksals
mich im Zimmer um. Schrank, Bett, Nachttisch, das waren die Plätze, wo jeder mögliche Eindringling zuerst nachschauen würde. Kurz entschlossen schob ich den Schakal hinter eines der Bilder an der Wand. Auf der unteren Leiste des breiten Rahmens lag er sicher.
Ich lag bequem ausgestreckt auf meinem Bett, als das Telefon schrillte, was mich hochschrecken ließ. In einem plötzlichen Anflug von Aufregung glaubte ich, daß es Adele sein könnte. »Hallo?« rief ich eilig in den Hörer. »Hallo. Hier ist John Treadwell.«
»Oh!« Ich senkte enttäuscht die Stimme. »Hallo.«
»Es tut mir leid, wenn mein Anruf ungelegen kommt.«
»O nein. So habe ich es nicht gemeint. Ich dachte nur, Adele sei am Apparat.«
»Soll ich auflegen? Sie könnte gerade versuchen, Sie zu erreichen.«
»Nein, John, das glaube ich nicht.«
»Wissen Sie immer noch nicht, wo sich Ihre Schwester befindet? Ich dachte, sie wollte sich im Hotel mit Ihnen treffen.«
»Tja, leider hat es da irgendeine Verwechslung gegeben. Es scheint ganz so, als ob sie nicht hier ist. Wahrscheinlich habe ich das falsche Hotel erwischt.«
»Hätten Sie Lust, in die Stadt zu gehen?«
»Oh… nein danke, Mr. Treadwell, ich meine John. Ich bin wirklich todmüde.«
»Dann also morgen. Um wieviel Uhr soll ich an Ihrem Hotel sein? Acht? Neun?«
In meiner gegenwärtigen Verfassung war ich eigentlich nicht besonders daran interessiert, mit John Treadwell in engeren Kontakt zu treten. Doch als ich sein Angebot eben schon ausschlagen wollte, erinnerte mich eine leise, durchdringende Stimme an etwas, das ich für eine Weile vergessen hatte: die Tatsache, daß Achmed Raschid mich allem Anschein nach verfolgte. »Acht Uhr wäre ganz prima. Ich warte auf Sie in der Eingangshalle.«
»Großartig. Und dann können wir auch nach Ihrer Schwester suchen, ja?«
»Wunderbar, vielen Dank und gute Nacht.«
Als ich auflegte, begann ich darüber nachzudenken, daß es vielleicht gar nicht so dumm war, sich mit diesem so hilfsbereiten John Treadwell zu treffen, wenn man die Sache mit Adele, dem sonderbaren Mr. Raschid und meine Unkenntnis der Stadt in Betracht zog. Als ich das Licht löschte und mich in dem ungewohnten Bett gemütlich zurücklehnte, waren meine Gedanken bei der fremden Stadt, die jenseits meiner Fenster lag, und abermals ertappte ich mich dabei, wie ich an Dr. Kellerman dachte. Es lag wohl an der Tatsache, daß er immer »dagewesen war« und daß seine Gegenwart mir stets Trost gespendet hatte. Und so hatte jetzt, in einem Augenblick der Niedergeschlagenheit und des Zweifels, der bloße Gedanke an ihn eine tröstende Wirkung.
Dr. Kellerman hatte Augen, die so eisig-blau und frostig waren, daß ein Blick daraus genügte, um einen unter den heißen Lampen des Operationssaals erschauern zu lassen. Doch sosehr sich eine Schwester oder ein Assistenzarzt auch vor ihm fürchten mochten, sosehr ihn manche auch nicht leiden mochten, so spürte dennoch jedermann seine Stärke, und niemand konnte die Sicherheit bestreiten, die er in das Operationsteam brachte. Ganz gleich, wie hoffnungslos eine Situation am Operationstisch auch sein mochte, wie übernervös sich seine Assistenten auch fühlen mochten, Dr. Kellerman verbreitete stets eine Atmosphäre von völliger Kontrolle und Beherrschung um sich her. Mit diesen Gedanken fiel ich allmählich in einen unruhigen Schlaf.
5
Als ich tags zuvor angekommen war, mußte ich wohl sehr müde gewesen sein, wahrscheinlich eine Folge der Zeitverschiebung nach dem Flug. Denn als ich mit John Treadwell in die schneidend kalte Morgenluft hinaustrat, kam es mir vor, als sähe ich diese Umgebung zum ersten Mal. Das Parioli-Viertel bestand größtenteils aus Mietshäusern, vereinzelten ruhigen Hotels, dazwischen kleine Läden und Privathäuser. Die Straßen zwischen den hoch aufragenden Mietshäusern aus rotbraunen Ziegelsteinen waren eng und gewunden. Überall ragten Balkone hervor, die teils mit grünen, teils mit halb vertrockneten Pflanzen überwachsen waren. Die Fußgänger, die an uns vorübergingen, meist Italiener, aber auch eine ganze Anzahl von Ausländern, waren durchweg freundlich und grüßten uns oft auf englisch. Hin und wieder ratterte ein klappriges Auto an uns vorbei, ein paar Motorroller und ein Reisebus. Die rissigen Gehsteige wurden von Bäumen gesäumt und wimmelten von Katzen. Sogar vor den Türen eines Hotels sah ich eine ganze Ansammlung von Katzen, die dort herumschlichen, als ob sie sich zu
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