Spiel des Schicksals
einer Art Hexensabbat verabredet hätten. Was ich sah, gefiel mir. Es kam mir alles so fremdländisch und bezaubernd vor.
»Sollen wir zu Fuß gehen?«
»Ist es weit?«
»Es ist schon eine Strecke bis zur Innenstadt. Aber es geht die ganze Zeit bergab. Und wir kommen an einigen entzückenden Stellen vorbei. Aber wenn Sie Bedenken haben, können wir uns auch den Bus Nummer zweiundfünfzig schnappen. Er bringt uns für nur fünfzig Lire ins Zentrum.«
»Bedenken« war nicht das richtige Wort. Ich mußte vor allem Adele finden, und das würde nicht leicht werden.
An diesem Morgen war mir beim Aufwachen gleich wieder dieser Achmed Raschid eingefallen. Da ich mich versichern wollte, daß die Begegnungen mit ihm rein zufällig gewesen waren, hatte ich mich an der Rezeption nach seiner Zimmernummer erkundigt. Wie sich herausstellte, war Achmed Raschid kein Gast im Palazzo Residenziale, und so müßte es schon ein ganz außerordentlicher Zufall gewesen sein, daß ich ihn zuerst am Flughafen, dann in der Empfangshalle und schließlich vor dem Zeitschriftenladen gesehen hatte.
Aber es ging mir vor allem um Adele. Ihretwegen war ich nach Rom gekommen, und ich würde nicht ruhen, bis ich sie gefunden hatte. »Können wir den Bus nehmen? Das wäre mir lieber.« Wir gingen bis zur nächsten Straßenecke hinunter und stellten uns unter ein Schild, auf dem das Wort FERMATA stand. Während wir warteten, erzählte mir John einiges über die Sehenswürdigkeiten, die wir besuchen würden, und ich bückte mich, um ein paar Katzen zu streicheln, die zu unserer Begrüßung herbeieilten. »Rom ist eine Katzenstadt«, erklärte John, wobei er auf die Uhr schaute. »Ich bin schon dreimal hier gewesen, und jedesmal bin ich aufs neue darüber erstaunt.«
»Es sind ziemlich viele.«
»Warten Sie nur ab.«
Ein großer grüner Bus hielt vor uns, und wir stiegen durch die hintere Tür ein. Wir warfen Fünfzig-Lire-Stücke in die Schlitze der Fahrkartenautomaten und nahmen die kleinen weißen Fahrscheine entgegen. Ich setzte mich ans Fenster, während John alles, was wir sahen, fortlaufend kommentierte.
Rückblickend ist es schwer zu sagen, was mich mehr in Staunen versetzte, der viele Verkehr oder die vielen Bäume. Wie ich bald erfahren sollte, lieben die Römer Gärten und Grünanlagen ebensosehr, wie sie es lieben, mit ihren Autos herumzufahren.
Obwohl die vorherrschende Farbe eine Art Rostrot war, zogen auch viele Hotelneubauten und hypermoderne, spiegelnde Bürogebäude an uns vorbei. Neben alten Renaissance-Fassaden ragten Hochhäuser aus Beton, Metall und Glas empor wie in amerikanischen Großstädten. Da ich aus einer Stadt kam, wo es nur wenige architektonische Gegensätze gab, war ich von der Vielgestaltigkeit Roms hingerissen. Natürlich galt dies nur für die Vororte außerhalb der Stadtmauern. Als wir erst einmal durch eines der antiken Tore der Aurelianischen Mauer gefahren waren, entdeckte ich eine völlig andersartige Schönheit. Private Villen waren von hohen Mauern und üppigen grünen Gärten umgeben. Öffentliche Gebäude zeichneten sich durch klare Linien und klassische Fassadengestaltung aus. Und überall dominierte diese bräunliche Farbe, die mal mehr zu Ocker, mal mehr zu Zinnober tendierte. Ich machte darüber eine Bemerkung zu John: »Es ist erstaunlich!« sagte ich. »Ich habe niemals eine Stadt wie diese hier gesehen.«
»Die Römer legen großen Wert darauf, daß ihre Stadt einheitlich wirkt, und haben daher strenge Bauvorschriften innerhalb der Stadtmauern. Alle neuen Gebäude müssen so aussehen wie die alten.«
»Mir gefällt das sehr!«
»Es gibt eine Ausnahme, die ich Ihnen später zeigen werde. Wir sind fast an der Endstation der Buslinie angelangt. Wohin möchten Sie zuerst gehen?«
Darauf konnte ich keine Antwort geben. Wie würden Römer es anpacken, um vermißte Römer aufzuspüren? In Adeles Fall war der einzige Anhaltspunkt das Hotel Palazzo Residenziale gewesen, das mich aber nicht weitergebracht hatte. »Ich weiß es nicht, John.«
»Wie wär’s dann mit etwas zu essen?«
Wir stiegen durch die Vordertür aus dem Bus und standen auf einer verkehrsreichen Straße. John führte mich eine Seitenstraße hinunter in eine kleine Bar, die neben einem Blumenladen lag. Vom Aussehen her genau wie eine Jahrhundertwende-Apotheke, hatte das kleine Lokal einen Tresen und einen einzigen Tisch am Fenster. Wir setzten uns an den Tisch, wobei wir die Blicke der Einheimischen auf uns zogen, die
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