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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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vorüber, und Gottfried Dandlberg stand
mit hinter dem Rücken verschränkten Armen vor den rotierenden Hendln am Tresen
und dachte nach. Vor ihm waren weißblaue Servietten millimetergenau
übereinandergelegt. Die Plastikbehälter mit dem Krautsalat waren exakt
gestapelt. Das Besteck lag säuberlich geordnet in einem Holzkasten. Die Semmeln
lugten verlockend frisch aus ihrem gläsernen Versteck hervor. Das Innere des
Wagens sah aus, als lebte der Betreiber darin.
    Draußen wischte der Schatten schneller Wolken über die Felder wie
vom Himmel hängende Netze über ein grünes Tennisfeld. Der Wind hatte die Nässe
der vergangenen Tage von der Straße gesaugt. Im Osten ein paar weißbraune,
locker über die Wiesen gestreute Wohngebäude und Ferienhäuser. Südlich davon,
malerisch hingestellt, eine Ansammlung von Höfen mit einer aufragenden
Kuppelkirche mittendrin. Ab und zu kam ein Hund schwanzwedelnd vorbei und
blickte mit hungrigen Augen zu Gottfried auf. Ein leichter Geruch von
Pferdedung lag in der Luft.
    Doch Gottfried roch nur seine Hendl und sah das alles nicht. Sein
Blick ging nach innen. Es war zwar schon eine Weile her, aber noch immer sah er
den roten Helm auf seinen Kopf niedersausen. Als ob man einem Ochsen mit dem
Prügel einen überzieht. Im Fallen hatte er Claras Gesicht gesehen. Sie hatte
gelacht, als ob sie sich freute. Er kniff die Augen zusammen und ließ seinen
Gedanken freien Lauf. Die Erinnerungen stellten sich nach einem offenbar ganz
und gar willkürlichen System ein. Es gab Bilder und Erinnerungen aus den
frühesten Kindheitsjahren, mit Rennen und Jagen in der Gruppe durch die
Bergwälder, er wusste nicht, durch welche. Zahnarztbesuche, um eine Spange zu
bekommen. Sein erstes Computerspiel. Ausflüge mit dem Bruder zum
Schlittschuhlaufen am zugefrorenen See. Mit den Eltern im Tierpark Hellabrunn.
Und schließlich die bestandene Lehre zum Nachrichtentechniker.
    Gottfried schüttelte seine Gedanken ab, schob den Rechnungsblock
heran und zog einen Stift aus dem Ärmelverschluss. Er notierte und überlegte
zwischendurch, welche weiteren Möglichkeiten er hatte, an Clara heranzukommen.
    SMS , AB , E-Mail. »Briefe« strich er wieder
durch. Blumen schicken, Warensendungen in ihrem Namen bestellen, Gerüchte
streuen (»Wie?«, schrieb er dahinter), Leute ausfragen (als Journalist
ausgeben), wieder auf einer Party auftauchen und sie verehren. Die GEZ kündigen.
    Lauter liebenswerte Aktivitäten, dachte er. Ich tu ihr nicht weh.
Ich bedrohe sie nicht, ich nötige sie nicht. Ich will sie nur ein bisschen auf
mich aufmerksam machen und unter Kontrolle halten. Von Kind auf war er von der
Neigung besessen, in anderer Leute Leben herumzuschnüffeln. Gottfried war das
zwar bewusst, aber es war ihm wurscht.
    Mit seinen Kunden war das anders. Er wusste über jeden einzelnen seiner
Stammkunden – Männer wie Frauen – hundert Prozent Bescheid. Die Bauer Rosi
betrügt ihren Mann, der Bürgermeister ist hinter seiner Vorzimmer her, die
bigotten Osterlohers rennen jeden Sonntag in die Kirche, die jungen Inöglüs mit
ihren vier Kindern schicken jeden Monat Geld nach Hause … Nicht weil er seinen
Kunden nachspionierte, kannte er ihre Gewohnheiten und Eigenarten. Nein, er
brauchte sie nur ein bisserl auszufragen, Fangfragen stellen, die Leut
aufeinanderhetzen, die Ohren aufstellen, wenn sie in Zweier- und Dreierreihen
vor ihm standen.
    Er ließ den Stift sinken, um die Frau Eberharter aus dem Dorf zu
bedienen.
    »Bittschön, sehr gern, Frau Eberharter. Zwei halbe, zwei Krautsalat,
drei Semmeln. I packl Eahna ois ein und leg die Servietten dazu, gell? An
guatn! Pfüa God!«
    Die Eberhartin war unbemannt, führte das Lebensmittelgeschäft in der
Dorfstraße und pflegte ihren schwer zuckerkranken Vater. Es wurde gemunkelt,
sie habe was mit dem Schankkellner vom Brunnerwirt.
    Gottfried seufzte. Er musste an die Lisbeth denken, die Gruberin,
seine Bewährungshelferin. Wär das doch schön, wenn das Märchen, das er ihr
aufgetischt hatte, das von Isabelle, wahr wäre. Er hatte sie mehrfach im
Glauben gelassen, seine Sexkenntnisse stammten vom Umgang mit Isabelle. In Wirklichkeit
ging er, sooft er es sich leisten konnte, ins Bordell nach Rosenheim. Meistens
ins Pik As drunten am Inn. Von dorther war er Spezialist in Kondomen.
    Gottfried Dandlberg löste sich von seinen Träumen. Die Glocken vom
nahen Kirchturm schlugen zwei Uhr. Nach Feierabend würde er als Erstes an den
Chiemsee fahren und sich das Haus in Rimsting

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