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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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so stark, dass sie fürchtete, ihre
Handknochen müssten brechen oder splittern. Seine Gesichtsfarbe wechselte zu
flammendem Rot, als er langsam wie in Trance das Gewehr hob.
    »Adrian, was hast du vor?«, fragte Clara mit brüchiger Stimme.
    Luger gab keine Antwort. Er stand aufgerichtet da, den Kopf erhoben,
mit loderndem Blick, und schob die Mündung durch eine der Schießscharten im
Glas.
    Da erst dämmerte es ihr. Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen.
Bisher war ihr der Ausflug eher wie eine Fotosafari vorgekommen. Man fährt raus
und beobachtet das Verhalten der wilden Tiere bei Nacht. Nun aber wurde
tödlicher Ernst daraus. Wie in einer Schießbude sollten sie abgeknallt werden.
Und zwar von ihrem eigenen Mann!
    War dieser Kerl, der wie der personifizierte Tod neben ihr stand und
wie hypnotisiert auf die edlen Tiere anlegte, wirklich ihr Mann? Sie konnte es
nicht glauben. Sie tippte ihm auf die Schulter.
    In diesem Augenblick geschah zweierlei: Luger erschrak und riss die
Waffe zurück. Und rund um den See gingen schlagartig Scheinwerfer an wie bei
einem Flutlichtspiel. Selters musste sie ausgelöst haben.
    » Du blöde Kuh! «, brüllte Luger. »Um ein Haar hätte ich geschossen
und den Schuss verzogen!«
    Du blöde Kuh! Clara sah ihn ungläubig an und sagte nichts. Luger
wirkte fanatisch. Seine Augen glühten. Ihr wurde der Boden unter den Füßen
weggezogen.
    Unvermittelt senkte er die Waffe und wandte sich ihr zu.
    »Tut mir leid, Clara, mein Kind. Ich …« Dann, urplötzlich, bewegte
sich sein Mund nicht mehr. Er stand da, beide Beine in den Boden gerammt.
    »Neiiiin!«, brüllte Selters.
    Auch er musste Clara gesehen haben, wie sie vor Luger stand, beide
Arme über dem Kopf, die kleinen Fäuste um einen Gegenstand gekrampft, der
gefährlich blitzte.
    Clara hatte sich das einzige Objekt gegriffen, das ihr für ihren
Zweck brauchbar erschien: eine Axt. Die Axt hatte einen Holzstiel, der wie ein
Bumerang geformt war und den ihre Hände kaum umfassen konnten.
    »Clara!«, brüllte Luger. Zur Abwehr streckte er dem kommenden Hieb
den Gewehrlauf entgegen.
    Ein schrecklicher wimmernder Laut löste sich aus der Tiefe von
Claras Brust. Ein Laut wie bei einem getroffenen Tier. Ob es die Mündung des
Gewehrs war, die ins Fenster knallte, oder die Axt, die vom Lauf abprallte, war
nachher nicht mehr festzustellen. Es spielte auch keine Rolle. Die
Panoramascheibe war an zwei Stellen geplatzt. Die Splitter des dicken Glases
waren über den ganzen Boden und Selters’ Klappstuhl verstreut wie
Chameis-Diamanten. Clara spürte das Bedürfnis, zu lachen, zu schreien, Adrian
zu umarmen oder ihn zu erschießen und gleichzeitig in Ohnmacht zu fallen.
    Selters musste ein Radio eingeschaltet haben. Es machte ein Geräusch
wie ein fauchendes Tier.
    Clara wollte zur Tür, um sich zu übergeben. Doch ein Blitzgewitter
stoppte sie. Drunten, an der hell beleuchteten Tränke, fielen Schüsse. Sie sah
Mündungsfeuer und hörte den Knall. Es mussten die beiden Männer sein, die auf
die Löwen feuerten.
    Selters schrie auf, entriss Luger das Gewehr und nahm die
Mündungsfeuer aufs Korn.
    Diesmal schaffte es Clara bis zur Tür. Sie übergab sich zweimal in
hohem Bogen, und einen schrecklichen Augenblick lang ertappte sie sich bei dem
Gedanken, es wäre besser gewesen, sie hätte Adrian Luger nie kennengelernt.
    Klar, er war ausgeflippt. »Blöde Kuh« hätte er ihr niemals an den
Kopf werfen dürfen. Deshalb nahm er ihr auch nicht übel, wie sie sich danach
aufgeführt hatte. Es belustigte ihn sogar ein wenig. Clara, seine geliebte
Frau, geht mit der Axt auf ihn los! Da war nun einmal eine ausgewachsene Löwin
vor seiner Flinte gewesen, etwas, was nur einmal im Leben vorkommt. Er liebte
Clara, er liebte sie sogar sehr. Doch – das musste er sich eingestehen – er
litt in diesen Zeiten schwer unter dem Geheimnis, das er nicht mit ihr teilen
durfte. Etwas, was er ganz allein mit sich selbst ausmachen musste. Mit niemand
anderem. Und eben das zehrte an seinen Nerven.
    Clara saß am Fenster in der vierten Reihe des Airbus. Sie trug eine
Sonnenbrille. Adrian Luger seufzte und fasste nach ihrer Hand. Er spürte, wie
die Hand kurz zuckte und fliehen wollte, dann aber doch nachgab und ihm auf
halbem Weg entgegenkam. Luger drehte ihr den Kopf zu. Ihre Augen glänzten, ob
von ungeweinten Tränen oder durch die Spiegelung der Brillengläser, konnte er
nicht feststellen.
    »Sollen wir denn nun alles einfach wegwerfen?«, fragte er

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