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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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schlecht die Wahrheit sagen, denn sie weiß, wie sehr Vater
dem Schlachtwert eines Lamms nachtrauert. Also sagt sie, dass sie sich die Hand
beim Wegräumen eines Asts aufgerissen habe. Sie schaut dabei zu Boden und wird ein
bisschen rot. Vater ertappt sie beim Lügen, sie bekommt eine Woche Hausarrest.
Auch das ist schlimm. Doch die Trauer um Miss Hühnerfell und das Bewusstsein,
zum Lügen nicht geschaffen zu sein, wiegen schwerer. Maria nimmt sich vor, es
zukünftig beim Verschweigen zu belassen.
    Daran musste Clara denken, als sie es vermied, Adrian die Wahrheit
über den Zwischenfall mit dem riesigen Italiener zu sagen. Eigentlich grundlos,
sie konnte selbst nicht genau sagen, warum. Vielleicht wollte sie es auch sich
selbst gegenüber verschweigen.
    Schon am Mittag, als die deutsche Nationalmannschaft am
Brandenburger Tor mit Schweinsteiger am Schlagzeug der Sportfreunde Stiller
ihren dritten Platz feierte, zeigte sich, dass das Wetter für das Endspiel
perfekt werden würde. Die Luft war klar, das Thermometer zeigte achtundzwanzig
Grad, am strahlend blauen Himmel zogen ein paar Wolken von Westen herüber.
Italien gegen Frankreich, ausverkauftes Olympiastadion. Kaum französische
Zuschauer, aber ganze Stämme eingeborener Italiener.
    Die Clique um Uly Hummer hatte in der Reihe hinter dem DFB -Präsidenten, Franz Beckenbauer, dem
Gewinner der letzten DSDS -Show
sowie dem unvermeidlichen Roberto Blanco Platz genommen. Silvio Berlusconi und
Jacques Chirac hatten Luger beide Hände geschüttelt, Luger hatte ihnen Clara
vorgestellt. Danach, beim Hinsetzen, hatte Clara es vermieden, Rico Stahl zu
berühren oder Uly Hummer in die Augen zu schauen. Sie blieb kühl. Stattdessen
nahm sie Adrians Hand und bettete sie auf ihren Schoß. Wie so oft wünschte sie
sich sehnlichst, allein mit ihm zu sein.
    Zinédine Zidane verwandelt in der neunten Minute einen Elfmeter zum
1:0 für Frankreich, in der neunzehnten erzielt Materazzi den Ausgleich. Luca
Toni gegen die Latte, Frankreich überlegen, Henry wird ausgewechselt, die
Italiener mauern. 1:1 unentschieden. Nach Elfmeterschießen ist Italien trotz
französischer Überlegenheit Weltmeister.
    Schon vor dem Schlusspfiff freut sich Clara wieder auf ihr Zuhause
in Brannenburg.
    Luger hat andere Sorgen.

ZEHN
    »Ich bin einer der letzten Cowboys. Mein Job lässt mir diese
Freiheit. Jedenfalls so viel, wie davon übrig bleibt, wenn man gezwungen ist,
mit einem weltweiten Geschäftsbetrieb erfolgreich zu sein.«
    Letztes Jahr hatte Adrian Luger mit ihr in Sibirien Bären und heuer,
im Frühjahr 2008, Tiger in Indien gejagt. Nach Sibirien waren sie in einem
gemieteten Learjet geflogen. Er hatte für sie ein luxuriöses Damenprogramm
organisiert, während er draußen war und den Gefahren der Wildnis getrotzt
hatte, wie er’s gern bezeichnete. Sie brauchte das nicht noch einmal, hatte sie
sich damals eingebildet. Erst auf sein heftiges Drängen hatte sie nachgegeben.
Und diesmal, im Jahr darauf, wollte sie bei der Jagd dabei sein.
    Eng aneinandergeschmiegt standen sie vor dem Trennvorhang zur Economy
Class und wiegten sich hin und her wie ein junges Liebespaar in einem
Hauseingang. Die beiden Flight Attendants sahen ihnen verstohlen zu. Ob
belustigt oder neidisch war ihren Mienen nicht zu entnehmen.
    »Cowboys. Es gibt sie kaum noch«, fuhr Luger fort. »Wir haben es
doch gesehen letztes Jahr in Texas. Baseballcaps statt Cowboyhüten. Turnschuhe
statt Cowboystiefel. Ich versuche mir meinen Stetson und meine Stiefel noch
möglichst lange zu bewahren. Auch im übertragenen Sinn.«
    »Ja, mach das, mein geliebter Cowboy. Ich liebe deine Stiefel und
deinen Hut. Eure Rasse soll nicht aussterben wie der Büffel, der Puma und der
graue Wolf.«
    Clara, fest an Lugers Körper gepresst, überlegte einen Moment lang,
ob er wohl ihre Brüste durch ihr Top und sein Hemd spürte. Er fühlte sich so
gut an. So könnte es weitergehen, ewig weiter. Immer weiterwiegen, mehr von
seinem Körper gegen den ihren spüren. Sie bewegte die Wange weg von seiner
Wange, sah mit verklärtem Blick zu ihm auf, und er küsste sie, und sie küsste
ihn. Es war ein endloser, weicher Kuss.
    Nein, sie wollte nicht schon wieder auf eine seiner Jagden
mitziehen. Ihr hätte es genügt, einfach hier im Flugzeuggang zu stehen, ihn zu
küssen und ihn, eingewickelt im Trennvorhang, zu lieben.
    Die meisten Passagiere hatten die Rollos heruntergelassen und dösten
in ihren Sitzen halb ausgestreckt vor sich hin. Clara hatte es sich

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