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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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nichts
Wichtigeres auf Erden als seine Präsenz in Genf.
    Anflugverfahren auf den Aéroport International de Genève,
vierzehntausendfünfhundert Fuß.
    Wenn ich weiter nichts von dir höre, wirst du mich nicht mehr lebend
sehen.
    Er drückte Wahlwiederholung. Festnetz. Mobil. Keine Antwort. Er
musste zu ihr. Er liebte sie mehr denn je. Ein Anflug von Panik machte sich
breit. Er hatte Angst.
    »Canceln Sie Genf. Wir fliegen nach München. Holen Sie ein Fahrzeug
zum Airport. Ich muss nach Hause.«
    Clara wirkte, als stünde sie im sechzigsten Sommer. Aschgrau im
Gesicht mit Sorgenfalten und stumpfem Blick. Zuletzt hatte er sie in Namibia so
erlebt.
    Er hatte das Haus mit dem eigenen Schlüssel geöffnet und nach ihr
gerufen. Hatte jeden Raum durchsucht. Schließlich fand er sie auf dem Balkon
seines Arbeitszimmers. Sie kauerte vollkommen durchnässt am Boden, den Rücken
gegen die Wand gepresst. Als er sich vorbeugte, um ihre Schulter zu berühren,
pumpte sie mit einem kurzen, stöhnenden Laut die Lungen voller Luft. Dann löste
sich ein schrecklich wimmernder Laut aus der Tiefe ihrer Brust.
    »Was … was ist … was ist das?«, fragte seine Clara mit tränennassem
Gesicht. Mit abgewandtem Gesicht hielt sie ihm über die Schulter zwischen
Daumen und Zeigefinger eine Fotografie entgegen.
    Luger kniete sich neben sie. Vorsichtig pflückte er ihr das Foto aus
den Fingern. Wie war das Bild in ihre Hände geraten? Es gab nur eine Erklärung:
Sie musste in seinem Zimmer spioniert haben! Seine erste Reaktion war Zorn.
    »Wer … wer ist das?«, fragte Clara. Sie war kaum zu verstehen, ihre
Worte waren ein Hauch.
    Luger hockte sich neben seine Frau auf den gefliesten Boden des
Balkons. Selbstverständlich war ihm dieses Foto vertraut. Es war ein
Schwarzweißfoto und zeigte eine mittelgroße Frau in einem untadeligen
Wollkostüm und einer weißen Bluse. Perfekt gewelltes Haar und herabgezogene
Mundwinkel. Er konnte sich ausmalen, dass sie auch die anderen Fotos gesehen
hatte. Und die Widmungen auf der Rückseite gelesen. Aber was soll’s! Er musste
kein schlechtes Gewissen haben.
    »Liebste«, sagte er zart. »Das war einmal. Das ist lange her und
lange vorbei. Lange vor der Leberfleck-Connection. Sie hieß Clara …«
    Er drehte das Foto um und ließ sie lesen. »In Liebe. Von Clara«,
stand da in sorgfältiger Schrift mit hohen Buchstaben.
    Nun stutzte er zum ersten Mal. »So wie du. Aber eigentlich heißt du
ja Maria.«
    »Ich heiße Clara. Wie meine Mutter.« Sie wischte sich die Nässe von
Augen und Wangen, nahm ihm das Foto wieder ab und sah ihm klar in die Augen.
    »Dies ist meine Mutter. Wie kommst du an das Foto?«
    Luger spürte, wie ihm alles Blut aus dem Gesicht wich. Er musste an
die anderen Fotos denken, die er in der Schachtel im Schrank aufbewahrte. An
die mit dem Baby und später dem Kleinkind.
    1980. Adrian Luger ist sechsundzwanzig Jahre alt, fertig mit dem
Studium, und er macht ein Praktikum in der Bank seines Vaters. Seine damalige
Freundin, eine langbeinige Isländerin mit dem schönen Namen Sóley, hat ihn
gerade verlassen. Zwei Freunde fragen ihn, ob er für einen Kurzurlaub mit ihnen
auf einen Bauernhof kommen möchte. Gapperding heißt das Gut. Es liegt nördlich
von Bad Aibling in Oberbayern abseits der Zivilisation.
    Luger ist jung, frei und unbeschwert. Dem Hof steht eine Bäuerin
vor, eine Schönheit von natürlicher Eleganz. Winzige Sommersprossen umsprenkeln
ihre Nase. Ihr Name ist Clara Schwarz. Clara ist ein Prachtstück von einer
Frau, verheiratet mit einem Ekel von einem Mann. Von nun an verbringt Adrian
Luger mehrmals im Monat mehrere Tage Urlaub auf dem Bauernhof. Er hat sich in
Clara verliebt und sie sich in ihn.
    Bis sein Vater dahinterkommt, der alte Luger. Mit der Drohung, ihn
zu enterben, untersagt er dem Sohn den Kontakt. Doch es ist bereits zu spät.
Clara erwartet ein Baby. Es kommt 1981 zur Welt, Luger wird es nie zu Gesicht
bekommen. Clara Schwarz hat ihm lediglich in Briefen davon berichtet und ihm
Fotos von sich und der kleinen Maria geschickt.
    Die schreckliche Wahrheit beginnt sich in Lugers Kopf zu formen.
Auch seine Clara ist 1981 geboren und auf den Namen Maria getauft worden. Als
Künstlerin hat sie sich den Namen Clara zugelegt. Clara nach ihrer Mutter. Es
trifft ihn wie ein fürchterlicher Schlag.
    Clara hat am 2. März Geburtstag, genau achteinhalb Monate, nachdem
er damals zum letzten Mal mit Clara geschlafen hat. Und sie besitzt, wenn man
den Vergleich anstellt,

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