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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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viel Ähnlichkeit mit ihrer Mutter.
    Jetzt kennt Luger die Wahrheit.
    Clara Gray ist nicht nur seine Ehefrau. Sie ist seine Tochter!
    Es gibt keine andere Möglichkeit.
    »Leberfleck-Connection«, flüsterte er, lachte vor Verzweiflung kurz
auf und griff mit der Hand nach Clara.
    Sie schmiegte sich an seine Brust und legte den Kopf an seine
Schulter, während sie beide im Regen am blanken Steinboden saßen. Sie weinte
nicht mehr. Hätte sie es ihm sagen sollen, wo sie herkam? Sie hatte immer ein
großes Geheimnis um ihre Herkunft gemacht. Wollte in ihrer neuen Welt nicht als
Bauernmädel dastehen.
    Nach einer Weile sagte sie: »War es dumm, was wir gemacht haben?
    Hätten wir es wissen müssen? Hättest du es wissen müssen?«
    Er musste nicht nachdenken. Er hatte sich die gleiche Frage
gestellt. »Nein«, flüsterte er schwer.
    Sie küsste ihn auf die Nasenwurzel. Dann befühlte sie seine Stirn.
»Du bist heiß.«
    Ich liebe dich, wollte er sagen. Aber das ging jetzt nicht mehr.
Unausgesprochen waren sie getrennt geworden. Das Schicksal hatte nicht vorher
angefragt.
    Er sah sie an. Bilder verfolgten ihn.
    Er sieht sie auf einem Baumstumpf im Garten ihrer Brannenburger
Wohnung sitzen, in der sie so gern lebt. Und in die sie wohl jetzt für immer
zurückkehren muss. Sie hat das Kinn auf die Hände gestützt und liest in ihrem
Drehbuch. Klare, angespannte Züge, flinke Augen, wacher Verstand. Ihre Gesichtspunkte
um die Nase, auf den Wangen. Sie sieht zu ihm auf und lächelt ihn an. Wie sie
meist zu ihm aufgesehen hat, seine Clara.
    Er sieht sie schlafen, seine Märchenprinzessin. Er sieht sie in der
Dunkelheit auf der Terrasse stehen und lautstark ihre Rolle einüben. Gegen den
Wind. Er sieht sie mit lustvoll verzerrtem Gesicht unter sich liegen, spürt
ihren Atem an seinem Nacken. Er zieht mit dem Finger eine Spur über ihren
Rücken, hinauf, hinunter.
    Ihr Urlaub auf Ibiza. Sie klettern über glitschigen Stein und hüpfen
auf den Strand. Sie schwimmen angezogen, so wie sie sind. Das Wasser ist warm
und türkis und blau, die Luft flirrt vor Hitze. Als er aus dem Wasser kommt,
steht sie da, Hände in die Hüften gestemmt. Ihre Sachen triefen vor Nässe und
hängen an ihr herunter, ihr knappes Top lässt die nackte Haut durchscheinen.
Sie kreuzt die Arme über der Brust, kann ihr Zittern nicht unterdrücken.
»Also«, sagt sie. »Also«, sagt auch er. Sie zieht ihr Oberteil über den Kopf.
Der hellweiße Sand lockt. Die Finger einer Hand bleiben in ihrem Haar verhakt,
langsam bewegt er die andere Hand über ihre Brust, ihren flachen Bauch. Er
zählt die Punkte auf ihrer Schulter. Ihr Körper ist der einer sehr jungen Frau,
keine Falten, keine Runzeln, glatt. Der Altersunterschied liegt zwischen ihnen,
sechsundzwanzig Jahre. Sie schläft, und er beobachtet, wie das Meer seine Farbe
verliert, der Sand sienabraun wird. Er legt sich neben sie auf den Rücken und
hält ihre Hand.
    Die Bilder türmen sich, überschlagen sich, verdrängen einander. Er
versucht, sie abzustellen, doch es gelingt nur schwer.
    »Du bist schön«, sagte er. Er griff hinüber und strich über die drei
Muttermale an ihrem Hals. Er spürte das plötzliche Bedürfnis, ihre starken
Schneidezähne zu fühlen und die Pfefferminznote ihres Speichels zu schmecken.
Ihre Augen sagten ihm, dass sie ihn durchschaute. Sie leuchteten nicht wie
sonst.
    »Nein«, sagte sie mit inquisitorischem Blick und löste sich von ihm.
»Nein, das geht jetzt nicht mehr. Ich bin jetzt deine Tochter.«
    Dann stand sie auf.
    Luger blieb hocken. Genf war weit. Ihn interessierte nur Clara. Gab
es keinen Plan B?
    »Du wirst mir fehlen, Adrian.«
    Es war kurz vor einundzwanzig Uhr an diesem Dienstagabend im
November 2008. Im Radio wurde die Wahl von Barack Hussein Obama zum vierundvierzigsten
Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika bekanntgegeben. Beide, Adrian
Luger und Maria Schwarz, hatten eine fest umrissene Vorstellung davon, welche
Tragödie ihre Entdeckung nach sich ziehen würde. Was sie jedoch nicht einmal im
Entferntesten ahnen konnten, waren Art und Ausmaß des Dramas, dessen Vorhänge
sich bereits für sie geöffnet hatten.

VIERZEHN
    Als Gottfried Dandlberg im Jahr 2009 aus dem Gefängnis
entlassen wurde, bewohnte er wieder sein Reihenhäuschen. Es stand neben zwanzig
anderen in der Nähe der alten Eisenbahnunterführung im Zentrum Raublings. Wie
fast alle anderen war auch sein Haus von einem kränkelnden Garten umgeben. Sein
fahrbarer Hendlstand war zwischen

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