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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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verlor Ottakring jede Geduld.
Er wollte Leute befragen, Straßen kontrollieren, etwas in der Art. Seine Sorge
hinausschreien, etwas tun.
    Der Kriminalrat Joe Ottakring hielt sich nicht für einen
unbesonnenen Mann, der zu Kurzschlussreaktionen neigte oder dazu, leicht
durchzudrehen. Gewöhnlich analysierte er die Fakten, wog das Für und Wider
jeder Entscheidung ab und nahm jede Facette unter die Lupe wie einen
geschliffenen Edelstein.
    Die Kollegin von der Vermisstenstelle einschalten? Nein, ums
Verrecken, das wollte er nicht. Er musste Lola selbst aufspüren. Doch er hatte
keinen Anhaltspunkt.
    Bruni und seine Leute standen mit leeren Händen da. Sie hatten
nichts gefunden. Selten im Leben hatte sich Joe Ottakring so hilflos gefühlt.
Ihm schien die Welt unter den Füßen zusammenzubrechen. Er fühlte sich
gedemütigt und machtlos. Diese Ohnmacht sollte sich zu einer langen
Geduldsprobe ausbilden.
    * * *
    Es lag schon ein wenig Herbst in der Luft. Der Nordwind wehte in
kurzen Böen Blätter, Papierfetzen und Unrat von der Loretowiese am
Polizeipräsidium vorbei durch die Kaiserstraße, als Kriminalrat Ottakring dem
Präsidenten in dessen Dienstzimmer den Umschlag überreichte.
    »Herr Schuster, ich möchte, dass Sie mich ab sofort freistellen und
in Pension gehen lassen. Sie wissen, meine Frau ist seit zwei Tagen vermisst,
und ich möchte mich hundert Prozent der Suche nach ihr widmen …«
    »… Ihre Kollegen und Kolleginnen. Frau Toledo …«
    »… nein, danke. Ich mach das lieber selber. Ich bin persönlich
betroffen …« Wieder einmal brach ihm die Stimme. Angesichts des Präsidenten
hätte er es gern vermieden.
    Schuster legte ihm einen starken Arm auf die Schulter und sah ihm ernst
wie nie zuvor in die Augen. Dann schlug er einen offiziellen Ton an, dem vom
Wesen her alles Menschliche fehlen musste.
    »Herr Ottakring«, begann er. »Ich werde eine offizielle Untersuchung
über die Entführung Ihrer Frau einleiten müssen. Ich werde den Staatsanwalt,
den Leiter K 3 …« Er unterbrach sich selbst und schlug sich an die
Stirn. »Wem sag ich das. Wissen Sie ja selbst, dass ich das tun muss. Und – das
dürfte Ihnen auch klar sein – Sie müssen damit rechnen, dass auch der eine oder
andere Journalist oder die eine oder andere Fernsehkamera hier auftauchen wird.
Das heißt, ich muss auch den Pressesprecher informieren.«
    Er zögerte.
    Ottakring runzelte die Stirn, schwieg aber.
    »Ich habe es nur noch nicht getan, weil ich absolut sicher sein
möchte.«
    »Sicher? Worüber?«
    »Dass wir es auch tatsächlich mit einer Entführung zu tun haben.«
    Vom Eingang her kam ein schwacher Laut. Dann wurde die Tür
sperrangelweit aufgerissen und krachte gegen die Wand. Huawa hüpfte herein wie
ein Gummiball.
    »Herr Schuster, der Herr Stahl …«
    Schuster erglühte. »Huawa, ich hab dir’s schon hundert Mal gesagt …
wenn du noch ein einziges Mal so reinstürzt, schieß ich dich nieder. Ich meine
das ernst.« Er machte eine entschuldigende Geste zu Ottakring. »Sie kennen ihn
ja, unsern Huawa.«
    Doch Ottakring ließ sich nicht ablenken. Was um alles in der Welt
brachte den Namen Stahl ins Haus? Das konnte kein Zufall sein …

DREI
    Einmal hatte Rico Stahl in Huntsville, Texas, einer Hinrichtung
beigewohnt. Sie hatte ihn nicht weiter berührt. Der Kerl auf der Liege war
weder nervös gewesen, noch hatte die Angst vor dem Tod in seinen Augen
gestanden. Er zeigte auch keinerlei Überraschung, als das Gift aus den beiden
Injektionsnadeln ihn endlich traf. Er war einfach tot gewesen. Jemand klickte mit
zwei Fingern den leblosen Blick hinter den Augen weg.
    Das waren seine letzten Gedanken gewesen, bevor Rico Stahl kurz nach
Mitternacht die Augen schloss und einschlief.
    Verschwitzt und schwer atmend fuhr er am nächsten Morgen aus dem
Schlaf hoch. Ein paar Sekunden lang wusste er nicht, wo er war, dann holte ihn
der leichte, gleichmäßige Atem der jungen Frau, die neben ihm im Bett lag, in
die Wirklichkeit zurück. Ihre Augenlider waren geschlossen wie bei dem
Delinquenten damals in Texas. Sie lag entspannt auf dem Rücken und schlief
friedlich. Selbst im dämmrigen Licht des frühen Morgens hatte sie ein
makelloses Aussehen, trotz ihres zerwühlten Haars und der verwischten Reste
eines vormals kunstvollen Make-ups im ebenmäßigen Gesicht. Er beugte sich vor
und küsste ihre warme Nasenspitze.
    Ohne Hast stand er im Morgengrauen auf. Er wollte sich nicht
verspäten an seinem ersten Tag.
    Nach dem Duschen

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