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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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zahlreichen Urkunden und Pokalen an der Wand und im
Regal. Boxen war ganz offensichtlich der Lieblingssport des Präsidenten
gewesen.
    Schuster schob eine flache Schreibschale mit Stiften von sich weg
und richtete sie parallel zur Vorderkante der Tischplatte aus. Dabei legte er
die Stirn in Falten, was ihm das Aussehen eines römischen Imperators verlieh.
Eines Imperators, der kurz davor war, ein Todesurteil zu fällen.
    »Wie lange kämpfen Sie jetzt schon um Ihre Pensionierung? Drei
Jahre? Vier? Und uns ist es immer wieder gelungen, Sie davon abzuhalten, weil
wir einfach Ihre Fähigkeit aus aktuellen Anlässen benötigt haben.« Schuster
wirkte verlegen.
    Aha, daher weht der Wind. Sie wollen mich mal wieder loshaben. Platz
machen für einen Jüngeren. Wie viele Kriminaler war Ottakring stets ein wenig
abergläubisch. Eindeutiges Vorzeichen, dachte er, dass draußen bald etwas
passieren wird. So war’s bisher jedes Mal gewesen.
    Doch er schwieg.
    »Sie gehen jetzt auf die sechzig zu, waren schon dauerhaft
dienstunfähig geschrieben. Ihres Rückens wegen.« Schusters Miene hellte sich
auf. »Und jetzt sind Sie verheiratet. Mit einer wundervollen Frau, die Ihre
ganze Aufmerksamkeit …«
    »Muss das sein?«, warf Ottakring mit hochrotem Kopf ein.
    »Was? Was muss wie sein?«
    »Na, das ganze Getue. Sie wollen mich loshaben. Sagen Sie’s doch
einfach. Meine Krankengeschichte kenn ich selber. Und meine Frau ist meine
Privatangelegenheit. Wann?«
    »Erster Oktober. Wir sind schon an einem Nachfolger für Sie dran.«
Schuster hüstelte und faltete die Hände auf der Tischplatte. Er fühlte sich
sichtlich unwohl.
    Ottakring spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten. Doch er
überwand sich und grinste breit. »Das war ein fabelhaftes Personalgespräch. Ich
gratuliere Ihnen, Herr Schuster. Sie haben mich richtig gut motiviert und
vorbereitet. Noch dazu an meinem ersten Urlaubstag.«
    Durch Schuster ging ein Ruck. Als hätte er soeben einen Lorbeerkranz
für einen grandiosen Sieg im Ring umgehängt bekommen.
    Ottakring stand auf. »Na, dann kann ich mich ja schon mal um meine
Gartenzwergsammlung kümmern. Und mir ein paar Stallhasen anschaffen. Weiße oder
dunkle, was meinen Sie?« Betont herzlich schüttelte er dem Präsidenten die Hand
und ging.
    Das Giornale lag nicht weit vom Präsidium. Sie alle vom K 1
waren hier wie zu Hause. Dorthin ging Ottakring und genehmigte sich ein
Weißbier. Er kaute auf seiner Unterlippe herum, während er überlegte.
    »So nachdenklich, Joe?«, sagte Gesomina, die zierliche
schwarzhaarige Wirtin, deren Mann vor wenigen Jahren erschossen wurde. »Wie
geht es deiner Frau?« Auf ihrem Gesicht stand ein höfliches Fragezeichen.
    Ottakring hatte fast unerträgliches Herzklopfen. Er konnte sich
nicht erklären, woher und warum. Ihm war, als wäre ein kalter Luftzug durch den
Raum gegangen.
    Er musste an die frische Luft. Mit einem tiefen Schluck schüttete er
das Bier in sich hinein, verabschiedete sich und ging.

ZWEI
    »Lola! Lola. Wo bist du?«
    Sie war nicht im Haus. Er hatte jedes Zimmer einzeln abgesucht,
selbst den Keller. Sie war auch nicht im Garten. Das Schloss des Gartentürchens
war eingehakt. Lola war verschwunden. Ihr Auto parkte unberührt vor der Garage.
Auch das Fahrrad stand da. Keine Nachricht, kein Zettel in der Küche oder auf
dem Kopfkissen. Das Bett war gemacht, sie hatte geduscht, alles war normal.
Keine durchwühlten Schubladen oder durchsuchten Schränke.
    Ottakring griff nach der kleinen Uhr auf ihrem Nachttisch und sah
aufs Zifferblatt. Es war sieben Minuten vor zwölf. Um halb zehn hatte der Huawa
ihn abgeholt. Irgendwann in diesen zweieinhalb Stunden musste sich etwas
ereignet haben, was außerhalb seiner Vorstellungskraft lag.
    Er durchquerte das kleine Zimmer mit dem Spiegel, vor dem sie ihre
Moderationen probte. Er warf einen Blick hinunter auf die Zufahrt und scannte
sie mit den Augen. Er sah nichts Auffälliges. Aber drüben, auf dem kleinen
Plattenweg, der von der Einfahrt zum Garten hin abzweigte, sah er etwas
glitzern. Er polterte die Treppe hinunter und rannte zu dem Weg hin. Ein
Schreck fuhr ihm von der Brust in den Magen und blieb dort. Er bückte sich,
zückte sein Taschentuch und nahm den Gegenstand auf.
    »Lola!«, keuchte er vor Schmerz. Er ahnte, was dieser Fund
bedeutete. Es lief ihm eiskalt den Rücken hinunter.
    Es war ihr Ohrring, da gab es keinen Zweifel. Eine Perle, als Clip
in Silber gefasst. Lola wollte ihre Ohrläppchen nicht

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