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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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kreisen. Es war kein kleiner
Revolver. Es war der größte Revolver, den Smith & Wesson je hergestellt
hatte. Mit dem fünfzehn Zentimeter langen Lauf und der Nickellegierung wirkte
die Waffe noch beeindruckender. Vamos’ Augen blitzten kurz zu Rico hin. Der
nickte unmerklich.
    Rico hatte dieses Schauspiel mindestens schon ein Dutzend Mal
erlebt. Er schätzte Vamos sehr, es gab keinen besseren für seine BKA -Rolle. Doch Vamos war ein Narziss
mit brüchigem Selbstwertgefühl, das er durch solche übersteigerten Auftritte zu
kompensieren versuchte. Er wollte immer und überall der Größte sein, wollte
ständig bewundert werden. Da er wegen seiner Unersetzlichkeit quasi
Narrenfreiheit genoss, mochte Rico seine Spielchen auch nicht unterbinden.
    Russisches Roulette ist ein potenziell tödliches Glücksspiel. Es
befindet sich nur eine einzige Patrone in den Revolverkammern. Der Spieler weiß
im Moment des Auslösens nichts über die Position der Kugel. Ob sein Kopf im
nächsten Augenblick zerfetzt wird oder nicht, entzieht sich seiner Kenntnis.
    Rico kannte Vamos’ Trick nicht genau. Er wusste nur, dass es sich um
eine Spiegelung in seinen Kontaktlinsen handelte. Vamos konnte so angeblich
erkennen, in welcher Kammer sich die tödliche Patrone befand, und drehte die
Trommel einfach so lange weiter, bis die Laufkammer frei war. Dann drückte er
ab und erntete erleichterten Beifall.
    Es war totenstill im Raum.
    Rico beobachtete Ottakring. Dessen Gesicht wurde weiß, als er das
Klicken des Revolvers hörte. Wäre er noch im Dienst, würde er das Spiel
unverzüglich unterbinden, da war Rico sich sicher.
    Vamos vergewisserte sich, dass rechts von ihm niemand stand. Dann
drehte er die Trommel zufrieden drei Mal und setzte die Waffe seitlich an die
linke Schläfe.
    »Halt!«, tönte eine energische Frauenstimme von der Tür her. »Ja,
seid ihr denn alle die Beute des Wahnsinns? Auch Sie, o neuer Herr des
Universums?«
    Chili Toledo schoss Blicke wie feurige Blitze auf Rico Stahl ab.
Chili war ein Wirbelwind von einer Frau, die ständig zwischen ihrem Kopf, ihrem
Büro und ihrem Computer hin und her vagabundierte, ihr aktuelles Ziel jedoch
konsequent im Auge behielt.
    Nun machte sie drei Riesensätze auf Vamos zu und stolperte. Ihr Kopf
fiel gegen seinen Arm. Ihr Arm schlang sich ungewollt um seine Brust. Ihre
Hände zitterten, und Schweiß stand auf ihrer Stirn.
    Vamos hielt die Waffe senkrecht hoch und löste sich aus der
Umarmung. Dann schleuderte er Chili unwirsch zur Seite.
    Chili schnappte nach Luft.
    »Frau Toledo!« Rico war hinzugetreten und zog die Frau weg. »Wir
haben Sie früher erwartet! Hier, nehmen Sie.« Er reichte ihr ein Glas Prosecco.
    Sie lehnte ab, warf einen flüchtigen Blick auf den immer noch
erblassten Ottakring und versperrte mit verschränkten Armen die Tür.
    Grrrrrrrrr. Vamos ließ die Trommel kreisen. Wieder legte er den Lauf
an die linke Schläfe.
    Rico war neben ihm stehen geblieben. Während er Chili im Blick
behielt, galt seine ungeteilte Aufmerksamkeit Vamos. Schließlich hatte er den
Kollegen mitgebracht, um seinem Team etwas zu bieten. Da würde er sich nicht
von einer zickenden Amazone den Spaß verderben lassen.
    Grrrrrrrrrrrr.
    Ein Knall, als bräche der Himmel auseinander. Mörtelbrocken flogen
wie Geschosse durch den Raum. Nebelfeiner Staub kroch in die Lungen. Wie der
Nachhall eines Donners verebbten die Geräusche.
    Direkt vor Ricos Füßen sickerte Blut aus Vamos’ Schädel. Eine
tiefrote Lache um den Kopf herum bestätigte die kleinen roten Fetzen an der
Wand. Es war schwer zu sagen, ob der Mann tot war oder lebendig.
    In einem Anflug von Panik schlug Ricos Herz so schnell, als wollte
es zerspringen.
    »Scheißkerl!«, hörte er Chili wie durch ein Megaphon schreien.
»Scheißkerl!«
    Langsam drehte er sich um.
    »Scheißkerl!«
    Ja, sie meinte ihn.

VIER
    Lola Herrenhaus wusste nicht im Mindesten, wo sie sich aufhielt
und was sie von der ganzen Situation halten sollte. Sie hatte das Gefühl, sich
in einer Lawine zu befinden, die ins Rollen gekommen war und immer schneller
und schneller den Berg hinabraste.
    Ihre Fußlänge war vor Jahren einmal mit fünfundzwanzig Komma fünf
Zentimetern vermessen worden. Wenn sie also, um eine Strecke auszumessen, ihre
Füße exakt vierzehn Mal voreinander auf den Boden setzte, ergab das ein
Längenmaß von drei Metern und siebenundfünfzig. Drei Meter siebenundfünfzig –
so lang war das fensterlose Verlies, in dem sie seit gut zwei Wochen

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