Spiel, Kuss & Sieg
selbst wenn du mich bittest, nicht bekommen würdest“, entgegnete er, ging um den Tisch und versenkte die ersten Kugeln mit raschen, zielsicheren Stößen. „Nun ja, möglicherweise könnte ich das Spiel ja ein wenig fairer gestalten. Da du mit links spielst, werde ich das auch tun. Nummer zehn. In die Tasche rechts von dir.“
Tamsin öffnete den Mund, um ihm eine gepfefferte Antwort zu geben, doch ihre Kehle war wie ausgedörrt und kein Wort wollte über ihre Lippen kommen. Hilflos starrte sie auf Alejandros sonnengebräunte Hand, die er mit gespreizten Fingern auf den Tisch gelegt hatte.
Im Zimmer war es sehr still. Auf dem Kaminsims tickte eine Uhr, das Feuer darunter war zu einem glühenden Häuflein zusammengesunken. Seine zu schmalen Schlitzen verengten Augen befanden sich genau auf Höhe ihrer Unterwäsche. Sein Blick wirkte dermaßen intensiv, dass sie glaubte, er müsse durch ihr graues Chiffonkleid hindurchsehen können.
Der Gedanke sandte ein Prickeln über ihre Haut.
Das Klacken der Kugeln ließ sie aufschrecken. Sehr langsam rollte die gelbe Neun über den grünen Filz auf die angegebene Ecke zu. Ein Schauer überlief sie, als sich vor ihrem geistigen Auge die Kugel in Alejandros Finger verwandelte, der Tisch in ihren Körper …
„Bitteschön“, sagte er übertrieben höflich. „Du bist an der Reihe.“
Tamsin blinzelte. Die Kugel war nicht gefallen. Das waren gute Nachrichten – doch das Wissen, dass er nur nicht getroffen hatte, weil er mit links spielte, erstickte jedes Triumphgefühl im Keim.
„Ich brauche keine Gefälligkeiten, Alejandro“, herrschte sie ihn an. „Seien wir ehrlich. Ich brauche dieses ganze Spielchen nicht. Wäre es nicht für uns beide das Beste, wenn du dich einmal in deinem Leben anständig verhältst und mir das Trikot zurückgibst?“
„Dann räumst du deine Niederlage ein?“
Tamsin lächelte zuckersüß. „Das würde dir gefallen, nicht wahr?“, sagte sie sanft. „Und genau deshalb werde ich es nicht tun.“
Er erwiderte das Lächeln nicht. „Bist du dir sicher?“, fragte er in fast entschuldigend wirkendem Tonfall. „Du weißt, dass du keine Chance hast zu gewinnen?“
Seine Augen hielten ihren Blick gefangen. Es war, als ertrinke sie in warmer flüssiger Schokolade … himmlisch … und Furcht einflößend.
„Warten wir es ab, okay?“ Schmerzhaft war sie sich bewusst, dass er ihren Rücken betrachtete, während sie sich noch weiter über den Tisch beugte und die weiße Spielkugel ins Visier nahm. Sein Blick schien ihre Haut zu wärmen, sanft wie die letzten Strahlen der Abendsonne.
Verflixt! Sie musste sich zusammenreißen.
Mit einer Serie aus abgehakten Klackgeräuschen prallten die Kugeln aneinander. Die Orangefarbene fiel, wie geplant, in ihre Tasche.
„Ich hoffe, du zählst mit.“
Alejandro lachte leise auf. „Keine Sorge. Du hast noch einen weiten Weg vor dir, bevor das Trikot dir gehört.“
Der Blick, den sie ihm zuwarf, glühte vor Feuer und Hass. Interessiert beobachtete er, wie sie sich über den Tisch beugte, um den nächsten Spielzug in Angriff zu nehmen. Automatisch wanderte sein Blick zu dem dunklen Tal zwischen ihren Brüsten. Von Kindheit an verwöhnt worden zu sein, hatte ihr anscheinend eine völlig unrealistische Einschätzung ihrer eigenen Fähigkeiten beschert, schoss es ihm durch den Kopf.
Sie zögerte einen Moment, dann vollführte sie eine rasche Bewegung mit dem Handgelenk … und die nächste farbige Kugel verschwand in einer Ecke.
Verdammt! Als Tamsin sich aufrichtete, sah er denselben triumphierenden Ausdruck wie vorhin, als sie ihr Ziel bei ihrem Vater erreicht hatte. Sie spielt mit mir, dachte er. Sie weiß genau, wie sexy sie aussieht, wenn sie sich über den Tisch beugt, wenn ihr Ausschnitt dem Betrachter höchst reizvolle Einblicke gewährt, wenn ihr Kopf sich auf einer Höhe mit seinen Lenden befand. Sie manipulierte ihn ebenso skrupellos wie in jener Nacht in Harcourt Manor, wenn auch doppelt so raffiniert.
Heißes Verlangen stieg in ihm auf, ihm schwindelte. Er lehnte sich gegen die Wand und beobachtete aus zu schmalen Schlitzen verengten Augen, wie sie um den Tisch herumging und Kugel um Kugel versenkte. In der Stille des Raumes erschien ihm jedes Geräusch verstärkt, sodass er sich Tamsins leiser Atemzüge, des Raschelns des Chiffons auf ihrer goldenen Haut überaus bewusst war.
„Wie oft muss ich dir noch sagen, dass ich keine Vorzugsbehandlung will?“, fragte sie plötzlich unwirsch.
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