Spiel mir das Lied vom Glück
Geruch dieses Mannes einsaugen. Kurz hielt ich inne, dann versuchte ich, mich von Dean zu lösen.
»Bleib doch«, murmelte er und drückte mich wieder auf seinen Schoß. Ich zitterte am ganzen Körper.
Die Erschöpfung nach dem Zittern legte sich wie eine schwere Decke auf mich, doch anders als sonst fühlte ich mich warm und geborgen.
Ich schmiegte mich an ihn, ganz kurz, nur einmal, und Deans Arme schlossen sich enger um mich. »Was ist los, Julia?«, fragte er. Er merkte, dass etwas nicht stimmte.
»Nichts«, erwiderte ich automatisch. Das lag an meiner katastrophalen Kindheit. Man gewöhnt sich an, auf Anfragen zu sagen, alles sei in Ordnung, weil sowieso niemand die Wahrheit hören will. Außer Tante Lydia.
»Julia, ich bleibe notfalls den ganzen Tag hier sitzen, bis du mir sagst, warum du dich eiskalt anfühlst, dein Herz rast und dein Körper ganz schlapp ist. Ich habe Zeit.«
Den ganzen Tag? Ich seufzte. Es konnte nicht schaden, mich ein wenig an ihn zu kuscheln. Das wäre bestimmt schön. Ob er wohl mit meinem Haar spielen würde?
Als er spürte, dass ich mich an ihn schmiegte, lachte er.
Aber nur kurz. »Das ist wirklich sehr verlockend, Julia, aber das akzeptiere ich nicht als Antwort. Du musst dich von einem Arzt untersuchen lassen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Können wir beide nicht Arzt spielen?
« Die Worte schlüpften mir so schnell aus dem Mund, dass ich mir am liebsten auf die Zunge gebissen hätte.
Er drückte seine Stirn gegen meine. »Ich spiele gerne mit dir Arzt, nur jetzt nicht.«
Ich öffnete die Augen. Unsere Blicke trafen sich. Ich sah hellblaue Flecken in seiner Pupille und ein Blaugrün wie das Meer, dazu das Dunkelblau seiner Iris. Ich betrachtete seine hohen Wangenknochen und das sonnengebleichte Haar, das ihm in die Stirn fiel. Seine Lippen waren nur noch wenige Zentimeter von meinen entfernt.
Ich lächelte.
Er lächelte zurück, zaghaft. Dann berührten sich unsere Lippen, ich schloss die Augen, und Wärme strömte von seinen Lippen zu meinen und dann hinunter zu der angenehm warmen Stelle zwischen meinen Beinen. Ich legte einen Arm um Deans Hals, die andere Hand auf seine breite Schulter.
Dean Garrett war ein Macher. Er gab beim Küssen die Richtung vor, und ich ließ mich führen. Ich genoss jede Sekunde. Seine Lippen waren auf meine gepresst, jeder Kuss war drängender als der vorige, und seine Zunge war so virtuos, dass ich mich fragte, was sie wohl in anderen Bereichen meines Körpers tun würde.
Mein Busen drückte gegen seine Brust, und zum ersten Mal störten mich die Riesenmelonen nicht. Dean war sehr kräftig gebaut, er würde schon klarkommen mit meinen Möpsen. Und dann schmolz ich dahin, wie zuvor die Schokolade.
Bis ich die Stimme von Tante Lydia und das Lachen von Stash hörte.
»Na, Stash«, sagte Tante Lydia in der Tür. »Ich denke, wir können davon ausgehen, dass Julia Deans Würstchen mag.«
15
Ich hatte keinen guten Tag in der Bibliothek gehabt. Ms. Cutter beobachtete mich mit Argusaugen. Shawn und Carrie Lynn waren müde und blass. Immer wieder zog sich Carrie Lynn die Decke über den Kopf. Am Tag zuvor hatte ich gesehen, dass beide Kinder wieder Blutergüsse hatten. Ich hatte die Polizei angerufen, die mich ans Jugendamt verwies. Ich war aufgebracht, in welchen Zuständen die Kinder lebten, und empört über das Jugendamt, weil es nichts unternahm. Die Frau am Telefon hingegen schien sich über mich zu ärgern.
»Ms. Bennett, ich glaube, wir haben Ihnen schon erklärt, dass Kinder bei uns nicht aus Familien herausgerissen werden, nur weil die Mutter arm ist. Wir haben im Haus keinen Hinweis auf Drogenmissbrauch gefunden.«
Ich lachte auf. »Haben Sie sich die Mutter denn richtig angesehen? Haben Sie nicht die offenen Stellen an ihrem Körper gesehen und dass sie sich die ganze Zeit kratzt? Wie dünn sie ist?«
»Sie verstehen offensichtlich nicht, was die Aufgabe des Jugendamtes ist, Miss Bennett. Wir nehmen keiner Mutter ihre Kinder weg, nur weil sie offene Stellen am Körper hat oder sich kratzt. Die Kinder machten einen sauberen, wohlgenährten Eindruck.«
Als ich der Frau erklärte, dass sie nur deshalb so einen Eindruck machten, weil ich ihnen jeden Tag etwas zu essen besorgte und neue Kleidung und Schuhe für sie kaufte und ihnen das Haar kämmte, erwiderte sie: »Das ist alles schön und
gut. Wir freuen uns, dass Sie sich so vorbildlich verhalten, aber wir sind wirklich sehr beschäftigt. Rufen Sie an, wenn Sie ein Problem sehen.
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