Spiel mir das Lied vom Glück
Dean griff im gleichen Moment danach wie ich. Unsere Finger berührten sich. Er stellte die Tasse wieder hin und nahm meine Hände in seine.
»Julia.«
Ich wollte ihm die Hände entziehen, doch er ließ es nicht zu. Ich konnte ihn nicht ansehen. Was für eine Demütigung! Lydia hatte es Stash erzählt, und der hatte es natürlich an Dean weitergegeben.
Ich war ein wenig wütend, riss mich aber zusammen. Ich wusste, wie es dazu gekommen war. Stash war immer nett zu mir gewesen, er war der einzige Grund, dass ich noch glaubte,
es gebe auch ein paar gute Männer auf der Erde. Wahrscheinlich hatte sich Dean bei Stash nach mir erkundigt, und da hatte Stash erzählt, was er wusste, weil ihm etwas an mir lag.
»Julia!« Deans Stimme verlangte, dass ich ihn ansah.
Ich hob die Augen und wünschte mir dann, es nicht getan zu haben. Deans wachsamer, ehrlicher Blick war ausschlaggebend für seine Integrität bei den Geschworenen. Und wohl auch der Grund, warum Zeugen unter seinen stechenden Augen jeden Vorsatz vergaßen und alles ausplauderten, was sie verbergen wollten.
»Mir wäre lieber, er hätte dir nichts erzählt.«
»Das kann ich verstehen, aber hat er nun mal.«
»Was hat er gesagt?«
Kurz senkte Dean den Blick, dann drückte er meine Hände. Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre ich wahrscheinlich auf dem Stuhl geschmolzen, doch jetzt blieb mein Körper eiskalt.
»Er hat gesagt, dass du deinen Verlobten verlassen hast.« Wieder zog sich der linke Mundwinkel nach oben. »Und dass es ein ziemlich überstürzter Aufbruch war.«
Ich nickte und dachte an mein schmutziges, im Baum flatterndes Hochzeitskleid. Ich wusste noch, wie dieser Staub geschmeckt hatte.
»Ja, ziemlich überstürzt, kann man wohl sagen.«
»Du hast immer noch Angst vor ihm, oder?«
Stash hatte ihm also ein wenig mehr erzählt. Hatte ich noch Angst vor Robert? Nein. Das war keine Angst, das war ausgewachsene Panik. Angst hatte ich vor Dean, aber aus ganz anderen Gründen.
O nein! Da war sie wieder, die Angstkrankheit. Wahrscheinlich ausgelöst durch den Gedanken an Robert. Ich holte noch einmal tief Luft, bevor sie mir abgeschnitten werden würde. Ich spürte, wie meine Hände in Deans Händen zitterten und er sie fester hielt.
»Julia?«
Ich hörte Deans Stimme, tief und besorgt, doch dann schlich sich Roberts Tonfall hinein. Ich sah Deans Gesicht, sein hellblondes Haar, sein kantiges Kinn, und plötzlich veränderte es sich zu Roberts verzerrter, hässlicher Visage.
Ich musste daran denken, wie Robert meine Hände einmal zusammengepresst und mir mit der Faust ins Gesicht geschlagen hatte. Mit dem Fuß riss er mir die Beine weg, sodass ich der Länge nach in der Küche hinfiel. Ich weiß noch, dass die Tür des Kühlschranks nur angelehnt war. Ich bekam keine Luft unter ihm. Ich flehte ihn an, aufzustehen, aber er tat es nicht, sondern machte sich auf mir schwer, bis mir schwarz vor Augen wurde.
»Julia?«
Jetzt bekam ich so gut wie keine Luft mehr. Mein Körper war eiskalt. Ich biss die Zähne zusammen, ein Teil von mir hatte eine Todesangst vor der geheimnisvollen Angstkrankheit, ein anderer Teil hatte Todesangst vor dem, was Dean von mir dachte, und ein dritter Teil spürte Roberts Gegenwart zwischen mir und Dean.
Ich versuchte, ihm in die Augen zu sehen, während mein Körper bebte und mein Mund trocken wurde. Ich spürte, dass meine Hirnzellen keinen Sauerstoff mehr bekamen und sich verabschiedeten.
»Herrgott, Julia, was ist los?« Dean kam um den Tisch herum und nahm mich in den Arm. Dass ein Mann versuchte, mich in die Arme zu nehmen, dass er überhaupt so viel Kraft besaß, brachte mich wieder zum Atmen.
Ich gab einen erstickenden Laut von mir, wirklich peinlich. Meine linke Brust war an seinen Oberkörper gedrückt, durchaus angenehm, einen Arm hatte ich um seine Schulter gelegt. Kurz darauf saßen wir auf Tante Lydias blauer Couch, ich auf Deans Schoß.
Mit seiner großen Hand drückte er meinen Kopf auf seine Schulter. Ich versuchte zu atmen, doch es ging nicht, ich
versuchte es durch die Nase. Ein Schauer lief durch meinen Körper, ich verschränkte die Beine, um das Zittern und Beben zu unterbinden, das unweigerlich einem Ausbruch der Angstkrankheit folgte.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Dean so besorgt, dass ich glaubte, auf der Stelle losheulen zu müssen – Tränen an seinem Hals, Speichel auf seinem Hemd. Ich riss mich zusammen. Was für eine unangenehme Vorstellung.
Ich atmete, wollte leben, und ich wollte den
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