Spiel mir das Lied vom Wind
und ausnahmsweise keinen Pullunder. Er war auf Sommer eingestellt, obwohl der Sommer keiner war.
»Natürlich weiß ich das«, schrie Sonja wütend zurück. »Ich bin ja nicht blöd! Außerdem gebe ich mich nicht mit ihnen ab. Sie sind hier hereingeschneit, genau wie du.«
»Und?«
»Was und?«
»Hast du ihren Autoaufkleber gesehen?«
»Ja.«
»Und das Amulett?«
»Ja, sonst noch was?
»Und die Anstecknadel von diesem Knilch?«
»Ja!«
»Und?«
Sonja fuhr herum zu Wesseling. »Was und?«
»Was schließt du daraus?«
»Sie sind so braun wie Scheiße, das weiß ich selbst!« Sie stampfte mit dem Fuß auf und ruderte mit den Armen, als sei sie in ein Wespennest getreten.
Wesseling wich einen Schritt zurück und hob die Hände. »Dann ist es ja gut.«
»Nichts ist gut!«
Als sich beide beruhigt hatten, erklärte Sonja Senger Bernd Wesseling die Hintergründe. Sie ließ aus, was ihm und ihr hätte peinlich werden können. Keine Liebesszenen, keine Lieder im Sonnenuntergang, keine Treueschwüre. Kein Sex. Als sie geendet hatte, legte er die Hände vors Gesicht und seufzte tief und ergreifend.
»Steinbrecher und Hansen, das geht wirklich nicht, Sonja«, sprach er dumpf durch seine Finger. »Sie gehen über Leichen. Bitte such dir andere Killer.«
Gerne, dachte Sonja, und besonders gerne auf oberstaatsanwaltliche Anweisung.
7. Kapitel
Zwei Monate später
Aber Herr Dr. Kistermann«, sagte Elmar Könen mit tonloser Stimme.
»Ich weiß nicht, von welchem Geld Sie reden.«
»Aber Herr Dr. Kistermann«, wiederholte Elmar fassungslos. »Natürlich von den 5.000 als Anzahlung für das Windrad, die ich Ihnen gegeben habe.«
»Welches Windrad, Herr …? Wie war der Name noch gleich?«
»Könen, Elmar Könen aus Rinnen, Herr Dr. Kistermann. Ich dachte, wenn Sie nicht liefern können, das ist ja nicht so schlimm, dann könnten Sie mir eigentlich die Anzahlung zurückgeben, denn ich habe mir das Geld nur geliehen.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Herr … Herr.«
»Könen. Aber …«
»Sie müssen mich verwechseln. Ich habe mit Windrädern überhaupt nichts zu tun.«
Das war Elmar Könens zehnter Versuch gewesen, vor zwei Wochen. Beim darauf folgenden Mal wurde ihm von einer automatischen Stimme auf einer Bandansage mitgeteilt, dass die Telefonnummer stillgelegt sei. Auch heute morgen, bei seinem endgültig letzten Versuch: kein Anschluss unter dieser Nummer.
Elmar Könen legte eine Hand auf das Treppengeländer, setzte zögernd einen Fuß auf die unterste Stufe und blickte hinauf in das dunkle, stille Obergeschoss. Er glaubte den muffigen Geruch, der dort oben herrschte, bis nach unten zu riechen. Er ging nicht oft nach oben. Das war nichts für ihn. Seine Frau kümmerte sich um die Pflege ihrer kranken Mutter, die sich nach einem Oberschenkelhalsbruch weigerte, das Bett zu verlassen und sich lieber von vorne bis hinten bedienen ließ. Als hätte Marie nicht genug zu tun, mit dem Hof, den beiden Mädchen, dem Haushalt. Abends schlief sie ein, kaum dass sie im Bett lag, viel zu müde, um noch Liebe zu machen. Auch das war ein Grund, warum er hier stand. Einer von vielen. Vielleicht der wichtigste.
Sechs Wochen nach dem Unfall - Josefine Zimmer war im letzten Winter auf eisglattem Kopfsteinpflaster im Hof ausgerutscht, weil sie unbedingt die Hühner füttern wollte – wollte Dr. Pech aus Kall sie von einer Therapeutin wieder mobilisieren lassen, da verkündete sie, nicht im Traum daran zu denken, jemals wieder aufzustehen. Sie hielt sich an den Matratzenrändern fest, stemmte die Füße gegen das Bettende.
»Sie müssen aber wieder in die Gänge kommen«, riet Dr. Pech.
»Nur damit ich wieder hinfalle, das könnte Ihnen so passen!« Nicht nur in Augenblicken wie diesen war ihre Stimme schrill. »Nur damit Sie mich als Patientin behalten können und Sie sich dumm und dämlich an mir verdienen? Kommt überhaupt nicht infrage.«
Dr. Pech versuchte Elmar und Marie, die mit entsetzten Gesichtern an Josefines Bettende standen, zu beruhigen: »Sie wird schon noch aufstehen. Spätestens, wenn es ihr zu langweilig wird.«
»Vergessen Sie es!«, stieß Elmar leise hervor. Er kannte seine Schwiegermutter besser.
Josefine verlangte nach einer Kuhglocke, die von nun an auf ihrem Nachttisch stehen solle, damit sie läuten könne, wenn ihr etwas fehle. Ihre Stimme sei zu schwach, um bis in den letzten Winkel des Hofes zu reichen.
Es fehlte ständig etwas. Zu jeder Tages-und Nachtzeit konnte die Kuhglocke
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