Spiel mir das Lied vom Wind
keine Antenne. Sie musste deutlicher werden. »Wenn Sie nicht in einer halben Minute hier raus sind, rufe ich die Polizei.« Dumm an dieser Idee war nur, dass sie, um zu telefonieren, aus dem Haus laufen musste. Aber das wussten sie nicht.
Steinbrecher mahnte mit den Händen zur Ruhe. »Keine Sorge. Sie müssen keine Angst vor uns haben.«
»Ich habe keine Angst«, rief Sonja gegen ihre Angst an, »Ich habe Wut. Was Sie hier betreiben ist Hausfriedensbruch!«
Steinbrecher und Hansen nickten, als seien sie es gewohnt, Gesetze zu übertreten. »Wir wollen uns nur ein bisschen mit Ihnen unterhalten, Frau Senger.«
»Ich aber nicht! Woher kennen Sie meinen Namen?«
Vier Schultern zuckten nach oben.
»Was wollen Sie von mir? Wie kommen Sie überhaupt hierher?«, Sonja merkte, dass sie sich wie eine aufgeschreckte Hausfrau benahm. Warum ließ sie sich überhaupt auf ein Gespräch ein? Die beiden Männer hatten sie in Nullkommanix in eine Rolle gedrängt, die sie zutiefst verabscheute. Verhielt sich so eine gestandene Hauptkommissarin?
»Wollen Sie sich nicht setzen?«, fragte Hansen ruhig und gelassen, stand auf, schob einen Stuhl am anderen Ende des Tisches zurecht.
Wie großzügig, er bot ihr Platz an im eigenen Haus. Sonja setzte sich trotzdem und starrte die Männer an, als wären sie Protagonisten in einem außerirdischen Film. Die Schwarze Sonne auf Steinbrechers nackter Brust zog ihren Blick an. Von Typen wie diesen hatte sie gehört und gelesen. Gesehen, mit eigenen Augen, hatte sie sie nie. Sie hatte gehofft, diese Gattung wäre längst ausgestorben. Sie waren aus der Presse fast verschwunden. Zugegeben, eine Faszination wie von exotischen Tieren ging von ihnen aus.
»Schön haben Sie es hier«, meinte Steinbrecher und sah sich anerkennend um.
»Ja«, ergänzte Hansen, »eine wunderbare Gegend.«
»Dazu mitten im Nationalpark«, sagte Steinbrecher verträumt und Hansen nickte wohlwollend. »Waren Sie einmal da?«, fragte Steinbrecher.
»Im Nationalpark?«, fragte sie zurück.
»Auch, aber … eh ...«
»Sie meinen Burg Vogelsang, die alte Kaderschmiede?«, fragte Sonja. Steinbrecher und Hansen verzogen keine Miene.
»Ja, ich war da. Ich bin noch immer dafür, sie niederzureißen. Aber mich fragt ja keiner. Wollen Sie nicht endlich zur Sache kommen?«
»Wie Sie möchten. Wir haben eigentlich nur eine einzige Frage.«
»Und die wäre?«
»Wann haben Sie Herrmann Krux zuletzt gesehen?«
»Wen?«, fragte Sonja, um Zeit zu gewinnen.
»Herrmann Krux«, wiederholten Steinbrecher und Hansen im Chor.
»Ich kenne keinen Herrmann Krux«, antwortete sie in der Hoffnung, damit alle weitere Fragen im Keim zu ersticken.
Steinbrecher und Hansen tauschten vielsagende Blicke, mit denen sie sich wohl gemeinsam auf eine Änderung der Marschrichtung einigten.
Steinbrecher war wieder dran. »Frau Senger«, begann er. »Wir wissen von seiner Frau, dass er hier war.«
Sonja zog die Schultern hoch.
»Wir suchen Herrmann Krux, weil er mit unserer Vereinskasse durchgebrannt ist.« Sie horchte auf. »Es handelt sich dabei nicht um Peanuts, sondern um einen Betrag in fünfstelliger Höhe.«
»Fünfstellig?«, fragte sie nach.
»Ja«, bestätigte Hansen. »Fünfstellig.«
Maximal 99.999,99 Euro, errechnete Sonja, das war wirklich nicht die Portokasse. Sie nickte anerkennend. Gut gemacht, Krux. Das schränkt ihre Handlungsfähigkeit wenigstens etwas ein.
»Und es geht uns nicht nur um das Geld. Es geht um den moralisch-ethischen Schaden, den er unserem Verein zugefügt hat, der praktisch nicht wieder gutzumachen ist. Wir haben eine Mission, wissen Sie!«
»Was denn für eine?«
»Das tut nichts zur Sache«, entschied Steinbrecher.
»Das finde ich schon. Wenn ich Ihnen helfen soll, möchte ich wissen, wozu es gut ist. Wenn Sie zum Beispiel eine Kinderschutzorganisation sind ….
»Wir dachten, Sie hätten auch eine Rechnung mit ihm offen.«
Sonja sah Steinbrecher fragend an.
»Wir hätten nur gern unser Geld zurück«, meinte Hansen nahezu weinerlich.
»Tun Sie sich keinen Zwang an.« Sonja rang mit sich. Nicht, dass sie Mitleid mit ihnen gehabt hätte. Aber sie wären in der Lage, Krux einen gehörigen Schrecken einzujagen. Das, so musste sie sich eingestehen, das klang verlockend.
»Wann war er zuletzt hier?«
Sonja legte die Stirn in Falten und dachte nach. »Vor zwölf Tagen. An dem Tag, an dem auch seine Frau hier war. Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
»Hat er sich Geld von Ihnen
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