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Spiel mir das Lied vom Wind

Spiel mir das Lied vom Wind

Titel: Spiel mir das Lied vom Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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beginnen zu scheppern. Jedes Mal war es, als ginge ein Ruck durch den Hof und seine Bewohner. Elmar und Marie, wo immer sie gerade waren, zuckten zusammen, verhielten sich still, horchten, in der Hoffnung sich getäuscht zu haben.
    Josefine war gnadenlos. Sie schwenkte die Kuhglocke so lange, bis Marie an ihrem Bett stand. Das schafften ihre knochigen, kralligen Hände am Ende der dünnhäutigen, sehnigen Arme gerade noch, ein Wunder, denn sie waren nicht in der Lage, ein Glas zu halten oder ein Kissen aufzuschütteln.
    Marie, fand Elmar, war viel zu gutmütig. Sie musste ihr nicht nur alle Wünsche auf der Stelle erfüllen – seien sie noch so abstrus –, sondern auch Bericht erstatten, wie es auf dem Hof lief, ob alles erledigt sei und nichts verkomme. Und Befehle musste Marie entgegennehmen. Auch die beiden Mädchen, Linda und Sophie, mussten mindestens einmal am Tag nach oben zur Oma gehen und sich zurechtweisen lassen. Arzt und Friseur wurden aus Kall herbeigerufen. Sie kamen und entfernten sich. Wie Hofdiener. Massage, Maniküre ... wie es Josefine gerade gefiel. Alle machten das Spektakel mit, nur Elmar verweigerte sich.
    Jeder Besuch musste zuerst nach oben gehen, Guten Tag sagen und sich ausfragen lassen, was es im Dorf Neues gab. In Rinnen, dem Ort, in dem sie geboren war, und den sie nie verlassen hatte, ebenso wenig wie den Hof am Ende der Sistaler Straße.
    Wohlweislich hatte sie ihn ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn noch nicht überschrieben. Das sollte erst nach ihrem Tod geschehen. Aber das konnte noch dauern. Seitdem sie sich den ganzen Tag ausruhen konnte, ohne die Herrschaft über den Hof dafür aufgegeben zu haben, ging es ihr blendend. Wahrscheinlich hatte sie geahnt, dass es einmal so kommen würde, wie es nun gekommen war. Dass alle nach ihrer Pfeife tanzen würden, wenn sie nur pfiff.
    Elmar hatte ein Drittel der Treppe hinter sich gelassen und blieb stehen, als müsste er sich ausruhen. Seine Schritte waren leise gewesen. Der Teppichläufer, der die Holzstufen bedeckte, schluckte jedes Geräusch. Elmar blickte sehnsüchtig zurück. Aber es war eigentlich nicht Sehnsucht, es war Verzweiflung, die ihm jeden Schritt zur Qual werden ließ. Er tat nicht gerne, was nun zu tun war. Aber es gab keinen Ausweg.
    Marie war mit den beiden Mädchen auf einer Geburtstagsfeier in Sistig. Besuch war nicht angemeldet. Er betete, dass Josefine nicht gerade jetzt läuten würde. Auch nicht in den nächsten zehn Minuten. Aber selbst wenn. Niemand war da, um ihre Wünsche zu erfüllen. Elmars Pläne gingen in eine andere Richtung.
    Zuletzt war er vor zwei Monaten oben bei Josefine gewesen und hatte von dem enormen wirtschaftlichen Nutzen gesprochen, den sie auf dem Hof hätten, wenn sie unabhängig von den großen Stromanbietern wären. Keine monatlichen Stromrechnungen mehr, keine Nachzahlungen, keine Preiserhöhungen. Dazu das gute Gewissen der Umwelt zuliebe. Sie müssten nur einmal ein wenig Geld investieren, und sie wären frei bis ans Ende ihres Lebens.
    Nur, dass Elmar kein Geld hatte. Und wenig war es auch nicht, das er investieren musste. 10.000 Euro kostete die Unabhängigkeit immerhin.
    10.000 Euro, die sie ihm bitte vorstrecken sollte. Zunächst nur 5.000 als Anzahlung. Erst nach der Lieferung den Rest. Die 10.000 wollte er, anstatt die Stromrechnung zu bezahlen, bei ihr abstottern. In ein paar Jahren wären sie quitt.
    Josefine hatte so heftig den Kopf geschüttelt, dass Elmar fürchtete, ihr Gebiss fliege heraus. Danach hatte sie mit einem ihrer krummen Finger zur Tür gezeigt. »Raus!«
    Als Elmar einen Tag später mit Namen von Nachbarn und Bekannten zurückkam, die im Gegensatz zum Hof der Familie Zimmer bald so viel besser dastehen und von Weitem und von jedem zu erkennen seien, mit diesem unübersehbaren, schmucken, weißen Windrad vor dem Haus, hatte Josefine ihre Stirn in noch tiefere Falten gelegt. Sie war geizig, aber stolz war sie noch viel mehr. Elmar wusste, wie er sie anpacken musste.
    Auf Treu und Glauben und eigentlich nur ihrer einzigen Tochter zuliebe hatte Josefine ihm nach langem Hin und Her das Geld ausgehändigt, das sie in ihrer Wäschekommode aufbewahrte und das für die Anzahlung und Bestellung des Kleinwindrades vom Anbieter verlangt wurde.
    »Aber gnade dir Gott, wenn du es verlierst«, hatte sie mit erhobenem Zeigefinger gedroht, bevor sie die Scheine auf ihrer Bettdecke vor sich hinblätterte. Alles grüne Hunderter.
    Elmar hatte sie beruhigt, das Geld sei gut

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