Spiel mir das Lied vom Wind
hundert Meter vor ihr lagen, da sah sie die Bescherung: Vor ihrem Haus stand ein unbekanntes, schwarzes Auto. Es blockierte die Zufahrt zur Garage. Sonja drückte auf die Hupe. Der Polo beschwerte sich mit Geblöke und wurde quer hinter den Fremdling geparkt, sodass dieser das Terrain ohne sein Zutun nicht wieder verlassen konnte.
Das Auto, in dem niemand saß, war ein schwarzer BMW der 3er Klasse. Das Kennzeichen lautete
K-PR 100
. Auf der Heckklappe klebte ein Sticker. Ich bin stolz …. Der Rest des Spruches war abgekratzt worden.
Auf das Hupen reagierte niemand, und Sonja stieg verwundert aus. Sie sah sich um, sie strich um die Garage und das Forsthaus. Niemand versteckte sich auf der anderen Hausseite. Sie ließ auch ihren Blick in die Ferne nach einem Spaziergänger schweifen. Niemand strolchte in der Gegend herum.
Im Inneren des Autos, das ebenso peinlich sauber war wie das Äußere, lag nichts. Keine Jacke, kein Hut, auch kein Staubkorn. Als wäre es direkt vom Fließband vors Forsthaus gerollt.
Sonja stieg die Steinstufen hoch und wollte den Schlüssel in die Haustür stecken, als sie feststellte, dass sie nur angelehnt war. Beklommenheit stieg auf. Ihr erster Gedanke galt Krux. Krux war zurückgekehrt. Der zweite Gedanke galt Davis. Wenn es Davis noch gäbe … Er hätte nicht zugelassen, dass Fremde das Forsthaus betreten.
Sonja schob die Tür auf. Hohl hörten sich ihre Schritte auf dem Steinfußboden in der Diele an. Sie stellte sich in den Türausschnitt zur Wohnküche, stemmte die Hände in die Hüften, bereit zum Angriff, dann sah sie sie, und ihre Arme fielen kraftlos an ihr herab.
Es waren zwei. Und keiner von ihnen war Krux. Wo hatte sie ihre Waffe zuletzt gesehen? Verdammt! Das Handy lag im Auto. Kehrtmachen? Abhauen? Sonja wog ab. Sie blickte in Richtung Diele, Haustür, Freiheit und wieder in die Wohnküche auf ihren ungebetenen Besuch, der, obwohl noch kein Wort gefallen war, Unwohlsein und Einschüchterung verbreitete.
Die beiden Männer, die bis eben seelenruhig mit übereinandergeschlagenen Beinen am Esszimmertisch gesessen hatten, erhoben sich gleichzeitig und traten wie auf Kommando einen gleichgroßen Schritt auf Sonja zu. Ihr angedeuteter Diener war zackig.
»Meine Name ist Steinbrecher«, sagte der Rechte.
»Hansen«, sagte der Linke.
Sie ähnelten sich auf verwirrende Weise. Sie waren keine Zwillinge, dazu waren ihre glatten, alterslosen Gesichtszüge zu unterschiedlich, aber sie waren fast von gleicher Statur. Nicht allzu groß, drahtig, in Leinenanzügen, mit kurzem, aschblondem Haar. In Steinbrechers offenem Hemdkragen hing an einem schwarzen Lederband ein Amulett. Ein silberner Kreis, in dessen Innerem zwölf s-förmige Stifte wie Speichen angeordnet waren.
Ein Sonnenrad, schoss es Sonja durch den Kopf, nein, eine Schwarze Sonne. Die Assoziation mit Krux’ keltischem Kreuz, dem Autoaufkleber und einer gewissen unaussprechlichen Gesinnung dauerte keine halbe Sekunde. Was? Krux und diese Typen? Größere Gegensätze konnte es wohl kaum geben. Krux war ein Alt-Rocker, diese Typen vor ihr waren … sie konnte es nicht fassen.
Hansen hatte eine Anstecknadel am rechten Anzugrevers, die so winzig war, dass Sonja nicht erkennen konnte, was sie darstellte. Beide trugen braune Schuhe. Beide trugen Ignoranz und Unantastbarkeit zur Schau.
»Wie kommen Sie hier herein?«, fragte Sonja. Sie hätte auch eine andere ihrer tausend Fragen stellen können. Wo anfangen?
»Die Tür war offen.«
»Das kann nicht sein«, protestierte sie und drohte den Männern mit dem Schlüssel.
Sie lächelten nachsichtig. Steinbrecher schnippte sich ein paar Staubflocken vom rechten Schulterpolster. »Ich musste nur ein paar Mal mit der Schulter dagegenstoßen.«
Verdammter Krux, fluchte Sonja. Ihn und seine großartigen Reparaturen konnte man auf den Mond schießen.
Unaufgefordert setzten die beiden sich wieder hin und schlugen wieder die Beine übereinander, das rechte über das linke. Die braunen Schuhe wippten. Die manikürten Hände fanden auf den Bügelfalten einen angemessenen Platz. Die Männer wirkten seltsam unecht und gelackt.
Ölprinten, dachte Sonja und sagte: »Fühlen Sie sich wie zu Hause.« Gnädiges Abnicken. »Darf ich Ihnen vielleicht etwas anbieten?« Gnädiges Abnicken. »Kaffee oder Tee oder Cognac?«, bot Sonja mit ausgesuchter Höflichkeit an.
»Ein Bier wäre nicht schlecht.«
»So, ein Bier? Kölsch oder Pils?«
Für Spitzfindigkeiten hatten die Männer offensichtlich
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