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Spiel mir das Lied vom Wind

Spiel mir das Lied vom Wind

Titel: Spiel mir das Lied vom Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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großen, schlanken, muskulösen Statur. Wir tragen komplett schwarze Kleidung, von den Füßen über die Handschuhe bis zur Brille. Die glühenden Zigarettenenden sind alles, was man von uns sieht. Und die Zifferblätter unserer Uhren, wenn wir die Ärmel hochschieben.
    Da! Endlich! Ein Mann kommt die Straße herauf. Das muss er sein. Das wurde aber auch Zeit. Testosteron und Adrenalin durchfluten unsere Körper, als wäre eine Schleuse geöffnet worden. Unsere Muskeln spannen sich, unsere Augen fixieren das Zielobjekt, wir treten unsere Zigaretten aus, wir nehmen unsere Positionen ein. Es kann losgehen.
    Er kommt näher und näher. Ich wundere mich. Er sieht irgendwie anders aus, als unser Auftraggeber sagte. Seine Haare sind nicht lang, sondern wegrasiert. Er trägt keine Jeans, sondern einen Anzug, sogar einen Schlips. Mann o Mann. Wie sieht der denn aus?! Er hat die Hände in den Hosentaschen und schlendert direkt auf seinen Bus und damit auf Kollege und mich zu. Also ist er es, hat sich fein gemacht, extra für diesen Tag. Seinen letzten Tag. Manch einer ahnt ja, dass es passieren wird. Wir hören seine schlurfenden Schritte und einen Schlüsselbund klimpern. Wir lassen ihn noch den Bus für uns aufschließen, dann kommt unser Einsatz. Zack, zack muss es gehen.
    Kollege hat die Apothekerflasche aus der Jacke geholt, ein Taschentuch daraufgepresst und tränkt es, während ich mich auf den Mann stürze. Ich biege ihm die Arme auf den Rücken, trete ihm mit dem Knie zwischen die Beine, schubse ihn zum Bus, damit Kollege ihm das Taschentuch aufs Gesicht drücken kann.
    Wir zählen innerlich bis 30. Er sackt in sich zusammen. Kollege holt die Seile aus der Jackentasche und bückt sich. Er bindet die Beine in Fesselhöhe zusammen. Er richtet sich auf. Er bindet die Arme am Handgelenk zusammen. Er reißt die Tür auf. Wir bugsieren ihn gemeinsam auf den Fahrersitz. Sicherheitsgurte gibt es nicht. Mist.
    Ich stecke den Schlüssel ins Zündschloss, nehme den Gang raus, ziehe die Handbremse hoch, und werfe die Kiste an. Leise tuckert der Motor. Die Benzinuhr zeigt einen viertelvollen Tank an. Das muss reichen. Ich knalle die Tür zu und schließe sie ab. Mit Dietrich, unserem Allesschließer und Allesöffner, je nachdem.
    Kollege und ich überprüfen das Heck. Wir bücken uns und kontrollieren unsere Konstruktion. Es ist alles in Ordnung. Der Schlauch, den wir mit einer Schelle am Auspuff befestigt und durch die Heckklappe ins Innere des Busses gelegt haben, sitzt wie eine Eins. Die Plane, die wir zwischen Tür, Schlauch und Stoßstange verklebt haben, ebenfalls. Wir nicken uns zu.
    Ich schieße mit der Digitalkamera drei Fotos. Vom Fahrer, vom Kennzeichen, von der Schlauchkonstruktion. Wir entfernen uns.
    In unserem Auto, das in Sichtweite steht, machen wir einen Uhrenvergleich. Wir schlafen abwechselnd. Kollege eine Stunde, ich eine Stunde. Das müsste reichen.
    Während meiner Wache wackelt der Bus ein paar Minuten lang unübersehbar. Ich nehme an, der Äther hat seine Wirkung verloren. Er randaliert. Gut, dass der Bus abgeschlossen ist.
    Als ich mit Schlafen dran bin, kurbele ich die Rücklehne herunter und versuche meine Beine trotz der Pedale auszustrecken. Ich schließe die Augen und denke an meine kleine Firma.
HIOB Security
. Unser Name ist Programm.
    Wir befinden uns noch im Aufbau. Das Fachgebiet ist sehr speziell, aber sehr gefragt. Selten bekommen wir Aufträge von Privatpersonen, meistens von offiziellen Dienststellen, echten Behörden, Ämtern, sogar von Politikern. Nicht gerade vom Minister persönlich, aber ich kann nicht klagen. Wir scheinen die richtigen Leute gerade für kleinere Beamte zu sein, die per Gesetz in ihrem Aktionsraum an ihre Grenzen stoßen und diese Tatsache nicht akzeptieren wollen, weil in ihnen noch ein Funken Sendungsbewusstsein schwelt.
    Sie wenden sich an uns, wir sind
Outlaws
. Wir schaffen echte Gerechtigkeit, die sich um keine Gesetze schert. Wir stellen das natürliche Gleichgewicht von Gut und Böse wieder her.
    Wir suchen, wir finden, und wir schlagen zu. Es muss nicht immer Mord sein, manchmal reicht eine ordentliche Tracht Prügel. Wir sind nicht billig, aber wir sind unser Geld wert. Bezahlt werden wir cash. Knete in einen Umschlag. Umschlag zu einer verabredeten Zeit an einen verabredeten Ort. Basta. Sonst tun wir keinen Handschlag.
    Kollege ist mein einziger Mitarbeiter. In meinen Träumen sind es Hunderte. Wir sind ein weltweit operierendes System. Ich muss nicht mehr

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