Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiel mir das Lied vom Wind

Spiel mir das Lied vom Wind

Titel: Spiel mir das Lied vom Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
Vom Netzwerk:
auf die Straße.
    Nach den beiden Stunden – am Horizont geht langsam die Sonne auf – wollen wir uns vom Erfolg unserer Arbeit überzeugen. Es sollte alles nach Plan gelaufen sein, Benzin alle, Fahrer tot. Selbstmord. Wir lassen es oft so aussehen. Das ist unsere Spezialität und eine saubere Sache.
    Wir nähern uns dem Bus von beiden Seiten, ich auf der Fahrerseite, Kollege auf der Beifahrerseite. Wir sehen zur gleichen Zeit ins Innere. Wir sehen gleichzeitig ein-und dasselbe: Der Fahrersitz ist leer. Der Schlüssel steckt im Zündschloss.
    Ich zerre an der Fahrertür, die eigenhändig von mir verschlossen worden war, es jetzt aber nicht mehr ist. Sie fällt mir fast entgegen. Es gibt nur eine Antwort auf die Frage, wie das geschehen konnte: Kollege.
    Ich renne um das Auto, nähere mich seiner Visage auf wenige Millimeter und fordere ihn zunächst im gedämpften Ton auf, zu gestehen, dass er während seiner Wache eingeschlafen war. Er leugnet.
    Ich stoße ihn mit dem Rücken gegen den Bus, knalle seinen Hinterkopf mehrmals gegen das Blech und boxe ihm in den Magen. Er würgt. Aber er leugnet weiter.
    Ich ziehe meinen Schlagstock aus dem Hosenbund und lege ihn quer über seine Stirn. Er räumt ein, dass er möglicherweise für einige Millisekunden eingenickt sein könnte.
    Ich hole aus. Er versteckt sich feige hinter seinen Armen und gesteht, maximal eine halbe Stunde geschlafen zu haben.
    »Er ist abgehauen!«, fahre ich ihn mit zischender Stimme an. »Ich bring dich um!«
    »Wir haben Fotos!«, schreit er.
    Ich halte ihm den Mund zu und blicke mich um. Er wird uns noch verraten mit seinem Geschrei. Ich werde mir einen neuen Kollegen suchen müssen.
    Dieser Auftrag hat es wirklich in sich. Erst erwischen wir den Falschen, und dann haut uns der Richtige ab. Es ist zum Wahnsinnigwerden.
    Ich wende mich ab und beginne die Schlauchkonstruktion abzureißen, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf den Bus zu lenken. Blöd, einen Selbstmord vorzutäuschen, wenn der Selbstmörder fehlt. Ich begutachte den Schlauch. Ich kann ihn noch einmal benutzen, die Plane trete ich unter den Bus. Als ich davongehe, pfeift Kollege und winkt mich zurück. Er hat eine komplette Computerausrüstung im Kofferraum entdeckt. Ich lasse nicht zu, dass er sie mitgehen lässt.
    Wir sind keine kleinen Gauner. Wir sind
HIOB Security
. Aber Kollege nicht mehr lange.
    Ein Traktor rollt auf der Blankenheimer Straße vorbei und zieht seines Weges. Ein Bäckerwagen überholt ihn.
    »Morgenstund haben Gold im Mund«, murmelt Kollege und trottet missmutig hinter mir her.

9. Kapitel
    Es war endlich Sommer geworden. Schon seit ein paar Tagen schien die Sonne. Am Himmel hingen ein paar Schönwetterwolken. Die Temperaturen sollten im Laufe des Tages auf über 28 Grad klettern. Das richtige Wetter für den Camper.
    Aber Beatrix und Johan van Kessel frühstückten nicht draußen, so wie es ihre Nachbarn auf dem Campingplatz am Freilinger See konnten. Beatrix beobachtete, wie sie Tische und Stühle aufklappten und abwischten und das Geschirr hinaustrugen. Aus den Wiesen stieg dampfend die nächtliche Feuchtigkeit.
    Gott sei Dank der letzte von achtundzwanzig Urlaubstagen, seufzte Beatrix innerlich, räumte ihr Strickzeug und die Modezeitschrift weg und deckte den kleinen, ausziehbaren Tisch im Wohnwagen. Es war kaum Platz für Geschirr, Kaffee, Brot, Butter, Milch, Käse, zwei Eierbecher und die unvermeidlichen Schokostreusel. Sie war froh, dass der Urlaub zu Ende ging und ihr Mann endlich wieder arbeiten musste. Er kam gewöhnlich erst spät am Abend nach Hause. Da blieb nicht viel Zeit zu reden, ehe sie zu Bett gingen. Und das war gut so.
    Eigentlich hätten sie schon gestern – am Sonntag – fahren sollen, aber Johan hatte im letzten Moment die Abreise verschoben und im Büro Bescheid gegeben. Sie wusste nicht, warum, aber sie betete, dass es heute nun wirklich nach Hause ging.
    Beatrix war eine rotblonde, große, rundliche Frau, und im schmalen Gang zwischen Bett und Essecke stieß sie immer wieder mit den Hüften oder den Ellenbogen gegen die Unterschränke. Oder mit dem Kopf an die Oberschränke, obwohl sie im Wohnwagen eigentlich jede Ecke kennen müsste.
    Johan wartete vorne im PKW. Auch wenn er ein hagerer Mann war, konnte nur einer von beiden im Wohnwagen hin und her gehen, aneinander vorbei kamen sie nicht. Einer war immer im Weg. Sie hatten dafür ein praktisches Procedere erfunden.
    Johan stand am Morgen zuerst auf, duschte und verzog sich ins

Weitere Kostenlose Bücher