Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiel mit dem Feuer

Spiel mit dem Feuer

Titel: Spiel mit dem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
damit endete, dass wir alle inmitten
des Chaos Bier tranken und chinesische Imbissgerichte aßen.
    Sechs Monate später war das Chaos noch
immer da — es würde sich halten, solange sie da war — , und wir hatten uns in
gewisser Weise angefreundet. Ich half ihr, ein winziges möbliertes Studio im
Outer Mission District zu finden, das Äußerste, was sie sich von ihren
Einkünften aus den Filmen und den Uni-Jobs leisten konnte. Sie machte mich mit
einem Freund bekannt, der mir meine Nikkormat-Kamera billig reparierte, als sie
nicht mehr lichtdicht war. Sie zeigte ein lebhaftes Interesse an meiner Arbeit,
das so weit ging, dass sie sich Handbücher über Personensuch- und andere
Ermittlungstechniken ausborgte. Ich lernte von ihr eine Menge über die Art, wie
visuelle Künstler die Welt sehen, eine Sichtweise, die nicht die meine war,
sich aber in modifizierter Form auf die Ermittlungsarbeit übertragen ließ, um
Details deutlicher zu registrieren. Wir tranken oft zusammen Kräutertee oder
Cognac und führten lebhafte Diskussionen über alle möglichen Dinge, von Sport
bis Politik, aber ich hatte trotzdem nie das Gefühl, den Menschen hinter dem
Lächeln und dem gescheiten Geplauder wirklich zu kennen. Ihre Lebensgeschichte
und ihr Innenleben waren auf eine stillschweigende Art tabu, und jetzt begann
ich mich zu fragen, warum.
    Hy sagte gerade zu Peter: »Wenn ich’s
recht verstehe, basiert dieser Film auf Aufzeichnungen Ihres Vaters. Lebt er
noch?«
    Ein seltsamer Ausdruck huschte über
Glennas Gesicht. Peter erhob sich, um uns neue Drinks zu mixen. »Das weiß
niemand. Er verschwand in dem Jahr, als der Hurrikan Ikini hier wütete, 1992.
Aber da hatte er sich der Familie schon ziemlich entfremdet. Der Film soll ihm
so eine Art Denkmal setzen.«
    Ich fragte: »Dieses Manuskript, das dem
Drehbuch zugrunde liegt — warum wurde es nie veröffentlicht?«
    »Ich weiß nicht. Er hatte eine
Literaturagentin, die es vermarkten sollte, und er erwähnt ihren Namen in dem
Brief, der dem Manuskriptexemplar beilag, das er mir aufs Festland geschickt
hat. Vor ein paar Jahren habe ich versucht, Kontakt mit ihr aufzunehmen, aber
sie war entweder gestorben oder nicht mehr in dieser Branche tätig. Ich hoffe,
der Film weckt das Interesse irgendeines anderen Agenten oder Verlags.«
    »Das kann gut sein. Glenna sagt, es ist
hervorragendes Material.«
    »Ja, das ist es auch, dank der
Tatsache, dass mein Vater sich so gründlich und enthusiastisch mit der Kultur
der hiesigen Ureinwohner beschäftigt hat. Unsere Familie stammt von Missionaren
ab, und es stimmt zwar, dass viele dieser Missionare und ihrer Abkömmlinge
diesen Inseln mehr genommen als gegeben haben, aber andere, wie mein Vater,
haben die Mythen und die Kultur erforscht. Er war studierter Anthropologe und
schrieb Artikel über den pazifischen Raum für Zeitschriften wie National
Geographic. Das Buch über die hawaiianischen Mythen war das Ergebnis einer
lebenslangen Passion, denn er fing schon mit Anfang Dreißig an, sich mit
eingeborenen Geschichtenerzählern zu treffen.«
    »Und er ist einfach verschwunden?«,
fragte ich.
    »Abgehauen, und ich kann es ihm nicht
mal verübeln. Die familiäre Situation war unerträglich geworden, er trank viel,
und ich schätze, er war einfach ausgebrannt und hat sich schließlich gesagt,
zum Teufel damit. Mein großer Bruder hat Privatdetektive beauftragt, nach ihm
zu suchen, weil eine ganze Menge Geld auf den Familienkonten fehlte, aber sie
haben ihn nicht gefunden. Meine Lieblingsvorstellung ist, dass er auf
irgendeiner fernen Insel sitzt, einer anderen Gruppe von Geschichtenerzählern
zuhört und sein Leben in Frieden beschließt.«
    Glenna biß sich auf die Unterlippe. Es
war offensichtlich, dass sie nicht an dieses friedliche Szenario glaubte. Dann
stand sie auf und strich sich das leuchtend orangerote Kleid glatt. »Peter, wir
sollten uns besser jetzt zum Pali House begeben, bevor die Party zu lebhaft
wird.«
     

22
Uhr 55
    Ich stand allein am Geländer einer
Terrasse, von der man ein fernes Stückchen palmengesäumten Strands sehen
konnte; dahinter brachen sich mondschimmernde Wellen auf dem schwarzen Meer.
Hinter mir erstreckte sich das Pali House: ein flacher, ockerfarbener
Gebäudekomplex mit vielen Trakten, einem ultramarinblauen Ziegeldach und
gepflegten Gartenanlagen ringsherum. Von drinnen kam Gerede und Gelächter. Ich
blendete es aus, konzentrierte mich auf das Rauschen eines Bachs, der sich
durch das Anwesen schlängelte

Weitere Kostenlose Bücher