Spiel mit dem Tod (German Edition)
Rost von Marianne an seinen kleinen Klubtisch geführt wurde, den er aus eigener Tasche bezahlt hatte. Versteht sich. Und gekauft hatte er diesen Designklassiker auf Monikas Schwärmen und Drängen hin. Warum er sich dazu hatte überreden lasssen? Das wusste er beim besten Willen nicht mehr. Denn für ihn war ein Tisch ein Tisch, nicht mehr und nicht weniger und musste nur eines, praktisch sein.
Christina Rost war etwa im Alter von Marianne, um die sechzig. Eher der Typ Hausmütterchen, mit Hornbrille, was sie auch nicht gerade attraktiver machte. Sehr gepflegt mit äusserst feingliedrigen Fingern. Schwarzes Haar, Ferrari fragte sich, ob es getönt war, was ihn sogleich daran erinnerte, dass bei ihm eine Tönung nichts bringen würde, da sich immer mehr kahle Stellen abzeichneten. Marianne brachte zwei Tassen starken Kaffee.
«Beinahe hätte ich es vergessen, Francesco, mein Chef möchte dich sprechen, wenn du Zeit hast.»
Staatsanwalt Borer hatte bestimmt nicht so höflich um ein Treffen gebeten, sondern vielmehr klar und deutlich befohlen. Aber Marianne war eben eine Frau mit Taktgefühl.
«Ich melde mich heute Nachmittag bei ihm.»
Marianne Traber nickte und zog sich diskret zurück.
«Sie sind sich darüber im Klaren, Frau Rost, dass Sie bei mir eigentlich an der falschen Stelle sind. Ich ermittle in Tötungsdelikten. Und so viel ich weiss, entschuldigen Sie bitte die Pietätlosigkeit, lebt Ihr Mann noch.»
«Das weiss ich, Herr Ferrari. Aber vielleicht können Sie mir dennoch helfen. Ich bin ziemlich verzweifelt.»
Diesen Eindruck hatte das geschulte Auge von Ferrari auch ohne, dass sie es ausgesprochen hätte.
«Sie haben Marianne, ich meine Frau Traber, erzählt, dass Ihr Mann sich umbringen will.»
«So ist es.»
«Wie kommen Sie darauf? Lassen Sie sich mit Ihrer Erzählung bitte genügend Zeit. Schildern Sie mir detailliert, weshalb Sie das vermuten.»
Christina Rost blickte ihn dankbar an.
«Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll. Wissen Sie, Hans ist seit einiger Zeit sehr depressiv. Nein, das ist falsch», korrigierte sie sich sofort, «er ist nicht immer depressiv. Er ist sehr starken Schwankungen unterworfen. Manchmal himmelhoch jauchzend, dann wieder zu Tode betrübt. Das geht jetzt schon seit einigen Jahren so.»
«Seit wie vielen Jahren?»
«Seit vielleicht zwei, drei.»
«Wie alt ist Ihr Mann?»
«Er wird im Oktober sechzig.»
«Entschuldigen Sie bitte die Frage, darf ich wissen, wie alt Sie sind?»
«Achtundfünfzig.»
«Vielleicht hat Ihr Mann nur eine Midlife-Crisis?»
«Das wäre wohl reichlich spät, oder?», schmunzelte Christina Rost. «Und selbst wenn, das würde doch nicht so lange dauern.»
Ferrari musste sich eingestehen, dass er überfragt war. Er hatte von Studien gelesen, die genau das Gegenteil besagten. So stellte sich nämlich die Midlife-Crisis immer früher ein. Bei Frauen begann sie im Schnitt bereits Mitte dreissig, bei Männern Ende dreissig. Aber er hatte noch nie davon gehört, dass Männer im Alter von sechzig Jahren in eine vergleichbare Situation gerieten. Hier wäre wirklich eine Fachperson vonnöten. Genau! Die Polizeipsychologin musste her. Und das wäre zugleich die beste Möglichkeit, Christina Rost galant und schnell los zu werden. Das ist es. Nein, sie ist im Urlaub. So ein Pech! Ferrari wollte sich eigentlich nicht mehr länger mit der Frau unterhalten. Sie war echt besorgt, das sah er ihr an. Aber wahrscheinlich handelte es sich bei ihrem Ehemann um einen unzufriedenen Endfünfziger, der langsam realisierte, dass sein bisheriges Leben noch nicht alles gewesen sein konnte. Ein Mann, der mit dem Schicksal haderte und versuchte, nochmals in seinem Leben die Ketten zu sprengen und etwas Neues zu wagen. Das war menschlich, nur hatte es nichts mit ihm zu tun. Und noch weniger mit seinen Kopfschmerzen.
«Wissen Sie, Herr Ferrari, dass er eine Krise hat, beunruhigt mich nicht. Wenn es so weiterginge, dieses ewige Auf und Ab, das wäre mir egal. Obwohl das schon recht an die Substanz geht. Aber das ist es nicht», unterbrach Christina Rost die Stille.
«Sondern?»
«Seit einigen Monaten ordnet er systematisch seine Unterlagen.»
«Das verstehe ich nicht.»
«Er ist mit mir zu einem Notar gegangen, um ein Testament abzufassen. Er hat alle Versicherungen neu geregelt. Und er hat mich zum ersten Mal in unserer dreissigjährigen Ehe gebeten, die Einzahlungen zu machen.»
«Was ist daran so sonderbar? Ein Testament ist eine gute Sache. Man weiss
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