Spiel mit dem Tod
zu wehren. Das hätte nichts weiter gebracht, ihn lediglich dazu gezwungen zu handeln. Sie zählte im Stillen bei jedem Atemzug bis zehn, dann versuchte sie eine andere Taktik.
„Sie waren aufgebracht“, sagte sie leise und darauf bedacht, neutral zu klingen. „Wütend auf Leo. Und auf Kay. Sie haben beschlossen, jenes Spiel zu benutzen, das Leo gestohlen hat, um ihn büßen zu lassen. Einen Weg gesucht, um ihn ungestraft töten zu können.“
Er lachte höhnisch. „Dumme, dumme Gans. Ich bin nicht White Rabbit.“
Angesichts der Umstände überraschte sie seine Behauptung. Er bemerkte das und grinste anzüglich. „Ihr teurer Leo ist es. Er hat dieses ganze White-Rabbit-Ding aufgerollt, um Kay ungestraft umbringen zu können. Weil sie die Hälfte von allem bekommt. Die Hälfte, die eigentlich mir zusteht. Der Geizhals wollte mehr, deshalb beschloss er, sie loszuwerden. Sie hat mir gesagt, dass sie sich vor ihm fürchtet. Dass sie glaubt, er könnte hinter diesen Nachrichten stecken. Dass er ihr was an tun wollte. Wegen des Geldes.“
„Das wäre ja eine praktische Erklärung, Mr. Danson. Nur gibt es da ein kleines Problem. Leo ist tot. Sie haben ihn heute Nachmittag umgebracht.“
Sie bemerkte, wie er leicht zusammen zuckte. Er sah sie überrascht an. Ungläubig. Seine Hand begann zu zittern. Sie spürte, wie das Metall an ihrer Schläfe vibrierte.
Er wollte den Abzug drücken.
Stacy dachte an ihre Schwester Jane, an ihr Baby; sie dachte an all die Dinge, die sie nie getan hatte.
Sie wollte nicht sterben.
„Sie werden für viele Jahre ins Gefängnis kommen“, sagte sie und hörte, wie verzweifelt sie klang. „Mich zu töten wird daran nichts ändern. Sie können nirgendwohin gehen. Wenn Sie glauben …“
„Wenn du glaubst, ich gehe ins Gefängnis, dann hast du dich geirrt, du Schlampe.“
Bevor sie reagieren konnte, richtete er die Waffe auf sich selbst und drückte ab.
Der laute Knall übertönte ihren Aufschrei.
58. KAPITEL
Sonntag, 20. März 2005
3:12 Uhr
„Wir müssen aufhören, uns unter solchen Umständen zu treffen.“
Stacy hob den Kopf und sah Spencer an, der an der Küchentür stand. Er trug Jeans, ein T-Shirt und die Windjacke, die er an jenem Abend in der Bibliothek angehabt hatte. Sie fragte sich, ob er einen Schokoladenriegel in der Tasche hatte.
„Bist du in Ordnung?“ erkundigte er sich.
„Definiere ‚in Ordnung‘.“
Er kam zu ihr herüber und gab ihr einen Kuss aufs Haar. Die Geste trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie kämpfte dagegen an.
Sie hatte vorhin nicht geweint. Und sie würde es auch jetzt nicht tun.
Er zog sich einen Stuhl heran. „Kannst du darüber reden?“
Sie nickte und fuhr sich mit zitternden Fingern durchs Haar, das immer noch vom Duschen feucht war. Nachdem der vor ihrer Tür stationierte Polizist sie gefunden hatte, war sie ins Bad gerannt, um sich zu waschen – ein Versuch, sich nicht nur äußerlich von dem gerade Erlebten zu reinigen.
Sie erzählte, wie sie aufgewacht und von Danson mit ihrer eigenen Pistole bedroht worden war.
„Er hat Leo gehasst. Gab ihm die Schuld an allem, was in seinem Leben falsch gelaufen ist. Die Affäre mit Kay hat er zugegeben. Und erklärt, er hätte Alice gegen ihre Eltern aufgestachelt. Hat auf krankhafte Weise seinen Kitzel dabei gehabt.“
Sie blickte kurz zur Seite. „Er war nicht White Rabbit.“
„Wie bitte? Noch mal.“
„Er behauptet, Leo wäre es gewesen. Dass Leo einen Plan geschmiedet hat, um Kay los zu werden. Aus finanziellen Gründen. Er meinte, Kay hätte Angst vor Leo gehabt. Dass sie glaubte, er könnte ihr was antun, wegen ihrer finanziellen Vereinbarung.“
„Und du weißt natürlich, dass diese Theorie einen Haken hat.“
„Das ist kein Witz. Danson wurde das auch klar, als er erfuhr, dass Leo tot ist.“ Sie betonte es noch einmal. „Er hatte keine Ahnung, dass Leo nicht mehr lebt. Als ich es ihm gesagt habe … bekam er diesen merkwürdigen Blick. Da hat er erkannt, dass er dran war. Dass kein Weg dran vorbeiführte, dass er ins Gefängnis musste. Deshalb hat er sich das Hirn weggeblasen.“
Spencer runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht, Stacy. Vielleicht solltest du das mal überschlafen.“
„Du bist immer noch der Meinung, dass Danson unser Mann ist?“
„Tut mir Leid.“
Sie konnte ihm das nicht einmal vorwerfen – er war nicht dabei gewesen, er hatte Dansons Gesichtsausdruck nicht gesehen, als er von Leos Tod erfahren hatte.
Stacy stand auf und
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