Spiel mit dem Tod
Leonardo Noble an. „Warum zeigen Sie mir die?“
Anstatt darauf einzugehen, sagte er: „Ich habe die erste ungefähr vor einem Monat bekommen. Die andere letzte Woche. Und die hier gestern.“
Er gab ihr eine dritte Karte. Sie sah, dass es sich wie bei der ersten um eine Tintenfederzeichnung handelte. Diese stellte eine Maus dar, die in einem Teich oder einer Wasserlache ertrank. Stacy drehte die Karte um.
Bereit oder nicht, das Spiel hat begonnen.
Stacy dachte an die anonymen Nachrichten, die ihre Schwester erhalten hatte. Dass die Polizei, sie eingeschlossen, geglaubt hatte, sie kämen von einem Spinner und wären keine echte Bedrohung. Bis zum Schluss. Da hatte sie feststellen müssen, wie echt die Bedrohung gewesen war.
„White Rabbit unterscheidet sich von anderen Rollenspielen“, murmelte Noble. „Es gibt bei allen Spielen immer einen Spielmeister, eine Art Schiedsrichter, der das Spielkontrolliert. Er errichtet Hindernisse für die Spieler, versteckte Türen, Monster und all so was. Die besten Spielmeister sind dabei immer absolut neutral.“
„Und bei White Rabbit?“
„White Rabbit ist der Spielmeister. Aber seine Position ist bei weitem nicht neutral. Er verleitet die Spieler dazu, ihm zu folgen, hinunter in den Kaninchenbau, in seine Welt. Einmal dort, beginnt er, sie zu manipulieren. Sucht sich seine Favoriten. Er ist ein Schwindler und Betrüger. Und nur der gerissenste Spieler kann ihn übertreffen.“
„White Rabbit hat einen großen Vorteil.“
„Immer.“
„Ich würde denken, bei einem aussichtslosen Spiel mitzumachen, ist nicht besonders unterhaltsam.“
„Wir wollten das Spiel ins Extreme steigern. Die Spieler in Aufregung versetzen. Es funktionierte.“
„Mir wurde gesagt, Ihr Spiel wäre das gewalttätigste bisher. Ein Szenario nach dem Motto, der Gewinner bekommt alles.“
„Der Killer bekommt alles“, korrigierte er. „White Rabbit spielt alle gegeneinander aus. Der Letzte, der übrig bleibt, steht ihm dann gegenüber.“ Er beugte sich zu ihr vor. „Und wenn das Spiel erst mal begonnen hat, ist es erst zu Ende, wenn alle bis auf einen ausgelöscht sind.“
Der Killer bekommt alles. Ein mulmiges Gefühl überkam sie. „Können sich die Figuren miteinander verbünden, um ihn auszuschalten?“
Er sah überraschtaus, als hätte noch nie jemand so etwas vorgeschlagen. „So wird das nicht gespielt.“
Sie wiederholte ihre erste Frage. „Warum haben Sie mir die Karte gezeigt?“
„Ich möchte herausfinden, wer sie mir geschickt hat und warum. Ich hätte gern von Ihnen gewusst, ob ich Angst haben muss oder nicht. Ich biete Ihnen einen Job an, Ms. Killian.“
Sie starrte ihn einen Moment an, völlig verblüfft. Dann lächelte sie. Sie hatte ihn hereingelegt, und jetzt revanchierte er sich. „Und jetzt müssen Sie sagen: April, April.“
Aber das war nicht der Fall. Als ihr klar wurde, dass er es ernst meinte, schüttelte sie den Kopf. „Rufen Sie die Polizei an. Oder engagieren Sie einen Privatdetektiv. Als Bodyguard zu arbeiten ist nicht mein Ding.“
„Aber einen Fall zu untersuchen ist doch ganz offensichtlich Ihr Ding.“ Er hob die Hand, um ihrem Protest zuvorzukommen. „Ich bin nicht offen bedroht worden, was kann die Polizei da schon tun? Überhauptnichts. Und wenn sich bewahrheitet, was ich befürchte, dann ist auch ein Privatschnüffler damit absolut überfordert.“
Sie kniff die Augen zusammen und musste sich eingestehen, dass sie neugierig geworden war. „Und was genau befürchten Sie, Mr. Noble?“
„Dass jemand das Spiel Wirklichkeit werden lässt, Ms. Killian. Und nach diesen Karten zu urteilen, bin ich dabei, ob ich will oder nicht.“
Er legte eine seiner Visitenkarten auf den Tisch und stand auf. „Vielleicht war Ihre Freundin auch in dem Spiel. Vielleicht war sie das erste Opfer von White Rabbit. Denken Sie darüber nach. Und dann rufen Sie mich an.“
Stacy blickte ihm hinterher, während alles, was er gesagt hatte, ihr durch den Kopf wirbelte, die Informationen, die er ihr über das Spiel gegeben hatte. Dann dachte sie wieder an den Mann, der sie am Tag vorher überfallen hatte.
Er hatte sie gewarnt, sich „rauszuhalten“. Wo raushalten? Aus den Ermittlungen? Oder dem Spiel?
Nicht das Spiel ist gefährlich, sondern die Besessenheit.
Stacy führte diesen Gedanken weiter. Was, wenn jemand tatsächlich so besessen von diesem Spiel war, dass er Fantasie und Wirklichkeit nicht mehr auseinander halten konnte?
War Cassie vielleicht
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