Spiel mit dem Tod
Zynischste: „Bleib bei mir“.
Sie sind womöglich gar nicht so übel.
Hatte Malone ihr geglaubt? Oder wollte er ihr lediglich einen Knochen hinwerfen, um sie ruhig zu stellen?
Wollen Sie mich anmachen? Das würde ich nie wagen, Stacy Killian. Sie würden mir einen Tritt verpassen.
Der Kommentar ärgerte sie. Verhielt sie sich so einschüchternd? Wirkte sie so hart? War sie im Laufe der Zeit eine Frau geworden, der sich niemand mehr zu nähern wagte?
Die knallharte Killian hatten sie ihre Kollegen in Dallas genannt. Sie machte Fortschritte. Nun war sie eine, die Tritte verpasste. Was kam als Nächstes?
„Hallo, Detective Killian!“
Stacy sah auf. Leonardo Noble kam im Café Noir auf ihren Tisch zu, in der einen Hand einen Teller mit einem Brötchen, in der anderen eine Tasse Kaffee. „Ich bin keine Kriminalbeamtin“, sagte sie, als er vor ihr stand. „Aber das wissen Sie ja bestimmt schon.“
Ohne zu fragen, ob er störte, stellte er seine Tasse und den Teller ab, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. „Aber Sie waren es“, entgegnete er. „Mordkommission. Zehn Jahre bei der Kripo in Dallas. Mit einer Reihe von Auszeichnungen, zuletzt im vergangenen Herbst. Sie haben im Januar den Dienst quittiert, um ein Studium der Englischen Literatur anzufangen.“
„Stimmt alles“, sagte sie. „Wollen Sie etwas Bestimmtes?“
Er ignorierte ihre Frage und nahm in aller Seelenruhe einen Schluck von seinem Kaffee. „Wenn Sie nicht gewesen wären, hätte ihre Schwester mit dem Leben bezahlt, und der Killer würde frei herumlaufen. Ihr Schwager säße jetzt bis zum Verrotten im Gefängnis, und Sie wären …“
„Das reicht, Mr. Noble“, unterbrach sie ihn. Niemand musste sie daran erinnern, wo sie jetzt wäre. Oder wie knapp Jane mit dem Leben davongekommen war. „Ich hab alles miterlebt. Einmal ist genug.“
Er biss von seinem Brötchen ab, seufzte genießerisch und wandte ihr dann wieder seine Aufmerksamkeit zu. „Es ist unglaublich, wie viel man heutzutage mit ein paar Eingaben in den Computer über jemanden herausfindet.“
„Nun wissen Sie alles über mich. Schön für Sie.“
„Nicht alles.“ Er lehnte sich vor, seine Augen blitzten interessiert. „Warum haben Sie nach all den Jahren als Polizistin alles hingeworfen? Soweit ich gelesen habe, scheinen Sie für den Job geboren zu sein.“
Haben Sie den alten Spruch gehört, du kannst den Cop von seinem Job trennen, aber den Job nicht vom Cop?
„Sie sollten nicht alles für bare Münze nehmen, was Sie lesen. Außerdem ist das ganz allein meine Sache und geht Sie nichts an.“ Sie stöhnte gereizt. „Hören Sie, es tut mir Leid, dass Sie an dem Tag den falschen Eindruck bekommen haben. Ich wollte nicht …“
„Blöd sinn. Natürlich wollten Sie. Sie haben mich vorsätzlich in die Irre geführt. Und seien wir doch ehrlich, Ms. Killian, es tut Ihnen gar nicht Leid. Nicht ein bisschen.“
„Na gut.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Es tut mir nicht Leid. Ich brauchte Informationen, und ich habe getan, was nötig war, um sie zu bekommen. Zufrieden?“
„Keineswegs. Ich will was von Ihnen.“ Er biss erneut von seinem Gebäck ab und wartete auf eine Reaktion von ihr. Als sie ihm den Gefallen nicht tat, redete er weiter. „Ich war nicht so ganz ehrlich zu Ihnen neulich.“
Das hatte sie allerdings nicht erwartet. Überrascht setzte sie sich auf. „Meinen Sie Ihre Antwort auf meine Frage, ob das Spiel zu aggressivem Verhalten führen kann?“
„Woher wissen Sie das?“
„Wie gesagt, ich war zehn Jahre bei der Kripo. Ich habe jeden Tag Verdächtige befragt.“
Er legte den Kopf schief und betrachtete sie anerkennend. „Sie sind gut.“ Er zögerte kurz. „Was ich über die Menschen sagte, die Menschen töten, war nicht gelogen. Das ist meine Überzeugung. Doch selbst das harmloseste Werkzeug in den falschen Händen …“
Er ließ die Worte einen Moment im Raum hängen, dann griff er in seine Jackentasche. Er zog zwei Postkarten hervor und reichte sie ihr.
Auf der ersten befand sich eine Tintenfederzeichnung, eine düstere, beklemmende Darstellung von Lewis Carrolls Alice, die das weiße Kaninchen jagt. Stacy drehte die Karte um und las das Wort, das jemand auf die Rückseite geschrieben hatte.
Bald.
Dann sah sie sich die zweite Karte an. Anders als bei der ersten handelte es sich um eine Serienpostkarte aus einem Billigladen mit einer Ansicht vom French Quarter.
Darauf stand: Bereit zu spielen?
Sie blickte
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