Spiel mit mir!: Roman (German Edition)
frischgebackene Ehefrau ebenfalls.
Kapitel 3
» Ich habe deinen Vater. «
Amber hatte Marshall erst kein Wort geglaubt. Er hatte sie auf dem Handy angerufen, während sie für Mike Kaffee gemacht hatte. Umgehend hatte sie in dem Pflegeheim angerufen, in dem ihr Vater untergebracht war, und darum gebeten, man möge ihn ans Telefon holen. Den Anschluss in seinem Zimmer hatte sie abschalten lassen, weil er ihn beim besten Willen nicht benötigte. Und tatsächlich: Carole, die Tagschwester, sagte ihr, Marshall hätte ihren Vater abgeholt. Er hatte behauptet, mit Amber zum Mittagessen verabredet zu sein.
Ihr Vater war damals widerspruchslos ins Heim gezogen und hatte sich lediglich ausbedungen, dass Amber oder Marshall einmal wöchentlich einen kleinen Ausflug mit ihm machten, um ihm wenigstens die Illusion von Freiheit zu geben. Er wollte gelegentlich seine liebsten Bars und Restaurants aufsuchen, in der Begleitung von Menschen, die er mochte. Amber hatte gern eingewilligt, Marshalls Namen auf die Liste der Leute zu setzen, die ihn mitnehmen durften. Außer Amber und Marshall stand nur noch Paul, ihr bester Freund aus Kindertagen, für den sie auch arbeitete, auf der Liste. Paul war ihr zweiter Notfallkontakt.
Doch schon bald hatte ihr Vater nur noch Löcher in die Luft gestarrt, und die Ausflüge waren zwecklos geworden. Inzwischen besuchte ihn Amber nur noch, um mit ihm zu reden, in der Hoffnung, in seiner Miene gelegentlich einen Hinweis darauf zu entdecken, dass er sich an irgendetwas erinnerte. Die Liste der Personen, die ihren Vater mit nach draußen nehmen durften, hatte sie völlig vergessen.
Marshall offenbar nicht.
J. R. hatte ihm von Mikes Gewinn erzählt, und das war es, was Marshall wollte. Mikes einhundertfünfzigtausend Dollar im Austausch gegen ihren Vater.
Nun saß sie schwitzend und zähneknirschend in diesem Taxi ohne Klimaanlage, auf dem Weg zu dem eine halbe Stunde entfernten Restaurant, in das Marshall ihren Vater gebracht hatte. Wie hatte sich das Blatt nur so schnell wenden können?
Gerade hatte Amber noch das Gefühl gehabt, dass die Welt in Ordnung war. Mike war genau zum richtigen Zeitpunkt aufgetaucht. Sie war für eine Veränderung nicht nur bereit gewesen, sondern hatte sie geradezu herbeigesehnt. Sie hatte Marshall und das Leben als professionelle Trickbetrügerin, das sie so verabscheute, hinter sich lassen und mit Mike nach Boston ziehen wollen; hatte vorgehabt, endlich etwas zur Ruhe zu kommen und ihren Vater in einem Pflegeheim in ihrer Nähe unterzubringen. Sie hätte sich einen Job in einem Hotel in Boston suchen und wieder als Concierge arbeiten können, und alles Weitere hätte sich von selbst ergeben.
Doch dann hatte ihr Handy geklingelt, und ihr Traum von einer Zukunft mit Mike war zerplatzt wie eine Seifenblase. Es sei denn, sie bekäme die Chance, ihm alles zu erklären, sodass er ihr wieder vertraute, wenn das alles ausgestanden war.
Ihre Gedankengänge wurden unterbrochen, als das Taxi vor dem Restaurant hielt, in dem sie erwartet wurde. Amber reichte dem Fahrer einige große Geldscheine, dann schnappte sie sich den mit hundertfünfzigtausend Dollar vollgestopften Hotelwäschebeutel, der neben ihr lag, und sprang aus dem Auto.
Sie hastete los, drosselte dann jedoch ihr Tempo. Marshall spekulierte mit der Angst seiner Gegner. Wenn er auch nur den leisesten Anflug von Schwäche witterte, hatte sie überhaupt keine Chance. Es war schon schlimm genug, dass sie das zerknitterte Cocktailkleid von gestern anhatte und ihre Frisur die reinste Katastrophe war. Da musste sie zumindest ruhig und gelassen auftreten.
Sie atmete tief durch, betrat das Restaurant und marschierte in den hinteren Teil des Lokals, wo ihr Vater an seinem Lieblingsplatz saß und ins Leere starrte.
Sie würdigte Marshall keines Blickes, sondern begrüßte Sam mit einem Kuss auf die Wange. »Alles okay, Pa?«, fragte sie ihn.
Keine Antwort. Nicht, dass sie eine erwartet hätte. Es beruhigte sie schon, dass er hier war und es ihm gut ging.
»Natürlich ist er okay. Das Mezze Luna ist sein Lieblingsrestaurant. Wie du siehst, habe ich ihm Spaghetti Bolognese bestellt, sein Lieblingsessen. Setz dich doch zu uns.« Marshall deutete auf den Platz neben sich.
Amber ließ sich steif neben ihm nieder. Sie wollte vor ihrem Vater keine Szene machen, weil er dazu neigte, sich aufzuregen, wenn in seiner Umgebung dicke Luft herrschte. Bis sie ihn
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