Spiel nach meinen Regeln
Vogue entsprungen. Ist das nicht komisch?»
Mit ihrem unförmigen gelben Ölzeug und dem strähnigen Haar hätte sie eher auf die Titelseite einer Yachtzeitschrift oder auf eine Versammlung der Kanalarbeitergewerkschaft gepasst.
Lachend reichte ich ihr die Hand.
«Freundschaft?»
Nach kurzem Zögern ergriff sie meine Hand. Ich küsste sie auf die Wange, und sie revanchierte sich widerwillig. Ich hatte richtig vermutet. Sie wusste Bescheid. Aber sie war auch keine Prinzipienreiterin. Das galt auch für ihre Schwester, die zähne-knirschend meinen Wangenkuss akzeptierte. Somit blieb nur noch ihr Vater übrig.
Ich hörte, wie Michael mir nachrief, blieb jedoch nicht stehen.
Die Tränen strömten mir über die Wangen, und ich wollte nicht, dass er oder jemand anders mich in diesem Zustand sah.
Deshalb lief ich immer weiter, bis ich vor lauter Tränen nichts mehr sehen konnte.
Als ein Zaun kam, warf ich mich vor ihm auf den Boden und schluchzte herzzerreißend ins Gras. Es war unerträglich. Schon so oft hatte sie mir das angetan, so oft, und jedes Mal hatte ich mir gesagt, es sei letztlich zu meinem Besten. Wenn er sie bevorzugte, sei er auch nicht der Richtige für mich. Wehgetan hatte es immer, diesmal aber war es schlimmer, viel schlimmer.
Ich hatte Michael vergöttert. Ich hatte geglaubt, unsere Beziehung sei etwas ganz Besonderes, etwas, das ihn an mich binden würde.
Diese Hoffnung war geplatzt. Offenbar hatte er sie vom ersten Moment an gemocht, und ich wäre jede Wette eingegangen, dass sie sich nicht lange hatte bitten lassen, obwohl sie wusste, dass er mit mir zusammen war. Ich wusste auch, was sie sagen würde — ich mein's doch bloß gut mit dir —, wenn sie mir erklären würde, weshalb es mit Michael und mir niemals geklappt hätte. Diesmal sollte es nicht so weit kommen. Ich würde meilenweit fortgehen, irgendwohin, wo ich die beiden nicht zusammen sehen müsste; irgendwohin, wo ich sie beide nie wieder sehen würde.
Dabei wusste ich bereits, dass ich mir etwas vormachte. Ich wusste, ich würde das Gleiche wie jedes Mal tun. Ich würde um sie herumscharwenzeln, als Valentinas armes, kleines Hündchen, bis es irgendwann Zeit für den schrecklichen Satz wäre:
«Auszeit, Chrissy.» Dann würde ich mich davonschleichen und elend fühlen, während sie miteinander Sex hätten, und anschließend mit der Schoßhündchen-Routine weitermachen.
Es war so jämmerlich, und das war mir auch bewusst, doch ich hatte einfach nicht die Willenskraft, etwas dagegen zu unternehmen, und diesmal würde es nicht anders sein.
Außerdem waren meine ganzen Sachen auf der Yacht, deshalb musste ich auf jeden Fall zurückgehen.
Die Leute starrten mich bereits an, und ich wollte mit niemandem sprechen, deshalb stand ich auf. Ich musste zur Yacht zurück, doch das brachte ich im Moment nicht fertig. Ich sah die Szene genau vor mir: Michael hielte Valentina umarmt, während ich wie eine Idiotin dabeisäße, und alle wüssten, dass ich geglaubt hatte, er sei mit mir zusammen. Sie würde Mitgefühl zeigen und damit alles nur noch schlimmer machen, als könnte man mich mit einem tröstenden Lächeln abspeisen. Und dann würde sie ein ernstes Wort mit mir reden.
Das Problem war, dass sie Recht hatte. Es war dumm von mir gewesen, zu glauben, er interessiere sich für mich, wenn er doch sie haben konnte. Jeder Mann begehrte sie, sie war das, was jeder Mann brauchte, als Partnerin und als Statussymbol. Es war auch richtig von ihr gewesen, ihn mir schnell wegzunehmen, denn später, mit einer anderen Frau, hätte es umso mehr geschmerzt, und dazu wäre es unweigerlich gekommen. Er war einfach zu gut für mich.
Das wusste ich zwar, wollte mich aber nicht damit abfinden.
Auf keinen Fall wollte ich nach meinem dummen kleinen Anfall mit geröteten Augen und verweintem Gesicht zur Harold Jones zurückkehren und mich der Situation stellen. Deshalb ging ich weiter am Ufer entlang, denn ich wusste, dass sie mich irgendwann einholen würden. Außerdem hoffte ich, dass Michael und Valentina in der Zwischenzeit zum Cottage zurückgefahren waren, sodass die Strafpredigt wenigstens aufgescho-ben würde.
Dies alles ging mir in einem fort durch den Kopf, ich konnte einfach an nichts anderes denken. Als der Weg vom Kanal abbog, folgte ich ihm in den Annahme, er würde irgendwann wieder dorthin zurückführen.
Nach einer Stunde hatte ich vollständig die Orientierung verloren.
Es war ziemlich mühsam, doch ich schaffte es. Malcolm
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