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Spiel ohne Regeln (German Edition)

Spiel ohne Regeln (German Edition)

Titel: Spiel ohne Regeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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Distanz zu ihr schaffen, denn er spürte ihre Verzweiflung, die wie Wellen aus dem Gebäude herausschlug und ihn unter sich begrub, bis er keine Luft mehr bekam. Nick verschloss das Tor und raste mit quietschenden Reifen davon. Er fuhr auf die Autobahn, dann bog er auf den ersten Rastplatz ab.
    Als Erstes musste er den GPS -Sender loswerden. Er schlenderte an einem Achtzehntonner entlang, der lebende Tiere transportierte, und steckte den Sender durch einen der Schlitze des Containers. Sollte doch ein Schwein oder ein Schaf ihn fressen. Das würde diesen Drecksäcken eine amüsante Verfolgungsjagd bescheren.
    Nun die nächste Sache. Er kehrte zu seinem Pick-up zurück, legte eine der winzigen Batterien in das digitale Aufnahmegerät ein und drückte auf Play, während er wieder auf die Autobahn einscherte.
    »… Proband Nummer 100 023, geboren 16. 02. 97 «, diktierte eine leise weibliche Stimme, die vermutlich Diana Evans gehörte. »Testperson ist elf Jahre alt, männlich, schlechter Ernährungszustand. Pulsfrequenz 81, Blutdruck 115 zu 65, Temperatur 36,8. Wirkt apathisch und abgestumpft … «
    Monoton dokumentierte die Stimme Vitalzeichen und Blutergüsse, die auf Misshandlung und/oder Vitaminmangel hinwiesen. Ein unbehandelter Hautausschlag, eine leicht vergrößerte Leber. Sie erwähnte eine Gewebetypisierung sowie einen Mundhöhlenabstrich und empfahl Blut- und Urintests, um Virusinfektionen beziehungsweise Blasen- oder Nierenerkrankungen auszuschließen. Völlig unbeteiligt beschrieb sie den Hygienezustand des Probanden und seine ausgezehrte Verfassung. Sie riet zu einer Neubewertung, bevor eine Ernte in Erwägung gezogen wurde.
    Eine Ernte? Was zur Hölle? Sie wollte dieses Kind mästen, um es zu …
    Allmächtige Muttergottes! Die Erkenntnis überkam ihn mit der Wucht eines Vorschlaghammers. Mathes war Kardiologe. Thoraxchirurg. Transplantationen.
    Eine Ernte . Organe. Labortests, Blut- und Urinproben. Sie ermordeten Kinder, um an ihre Organe zu gelangen. Diese dreckigen, kaltherzigen Hurensöhne.
    Evans’ Stimme leierte weiter ihren Text herunter. Der nächste nummerierte Proband, zehn Jahre alt. Dieselbe Kacke: Vitalzeichen, teilnahmslos, ärztliche Beobachtungen, dürres und jämmerliches Erscheinungsbild. Aber dieser Junge hatte mehr Temperament als der andere und mochte es überhaupt nicht, abgetastet, gekniffen und mit Nadeln gepikt zu werden. Er fing an, zu weinen und nach seiner Mama zu rufen. Auf Ukrainisch.
    Evans machte beharrlich weiter, aber es schlich sich ein scharfer Ton in ihre Stimme, bevor sie schließlich ein erbittertes »Scheiße!« ausstieß. Klick . Die Aufnahme wurde dem Anschein nach eine Weile später fortgesetzt. Von dem Kind war jetzt nur noch ein leises Wimmern zu vernehmen.
    »Halt die Fresse und hör auf, die Ärztin zu nerven, du kleines Stück Hundescheiße, oder ich sorge dafür, dass du quiekst wie ein gestochenes Schwein« , knurrte eine männliche Stimme, ebenfalls auf Ukrainisch. Der Junge unterdrückte sein Wimmern, und Evans fuhr mit ihrem Bericht fort. Allerdings hatte ihre Stimme zu zittern begonnen.
    So ging es weiter und immer weiter. Ein Kind nach dem anderen, eine Nummer nach der anderen. Die Kinder wurden zunehmend jünger. Alle reagierten mit Protest auf die Nadel. Manche weinten, andere wimmerten oder kreischten. Evans verlor die Nerven. Ihre Stimme zitterte, sie stotterte, wiederholte sich, vertauschte Worte, verlor den Faden, musste das Band zurückspulen und von vorn beginnen. Und wann immer es Krawall gab, war da diese Stimme, die mit gemeinen Drohungen für Ruhe sorgte. Wäre Nick nicht ohnehin schon hundeelend zumute gewesen, hätte spätestens diese Stimme dafür gesorgt.
    Jeder letzte Funke Mitgefühl, den er vielleicht für Diana Evans empfunden hatte, erlosch in diesem Moment. Selbst wenn sie letzten Endes nicht bösartig und kalt genug gewesen war, um diesen mörderischen Bastarden zuzuarbeiten, so hatte sie es anfangs zumindest versucht.
    Aus unerfindlichen Gründen machte es der Umstand, dass sie es versucht hatte, schlimmer. Ein Psychopath konnte an seiner Natur nichts ändern. Aber warum sollte ein Mensch, der über ein funktionierendes Gewissen verfügte, es bewusst ausschalten wollen? Es machte ihn unglaublich zornig und fassungslos. Nick ließ die angehaltene Luft entweichen, versuchte zu atmen. Wegen Geld? Wegen bedeutungslosem, dämlichem Geld? Wie konnte man es für so wichtig halten? Er kapierte es einfach nicht. Hatte es nie

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