Spiel ohne Regeln (German Edition)

Das ist mein Plan. Du wartest hier, wo du in Sicherheit bist. Er kann dir nichts antun. Das ist das Beste, was ich für dich tun kann.«
    »Aber … aber du kannst nicht zu ihm gehen«, stammelte sie. »Er wird dich … «
    »Umbringen? In Stücke schneiden? Natürlich. Das versteht sich von selbst.«
    Sie spannte die Muskeln an und warf sich in seine Richtung, aber die Metallmanschetten rissen sie mit einem scharfen, schmerzhaften Ruck zurück. »Mein Gott, Nick! Das kannst du nicht tun.«
    »Bitte tu doch nicht so, als ob es dich kümmert«, sagte er. »Das macht es alles nur noch schlimmer. Und jetzt hör mir genau zu! Mir bleibt nicht viel Zeit. Tatsächlich bedauere ich aufrichtig, dich hier zurücklassen zu müssen. Sogar ich bekomme in dieser Halle hier eine Gänsehaut. Ich hätte lieber mein eigenes Haus benutzt, aber es ist zu weit weg, um hin- und wieder zurückzufahren. Du hast sechs Flaschen Wasser und ein paar Lebensmittel, um einige Tage durchzuhalten. Allerdings bezweifle ich, dass du so lange warten musst.«
    »Nick, ich flehe dich an. Tu das nicht! Ich kann dich nicht … «
    »Du kannst einen Scheiß dagegen unternehmen. Ich habe die Handschellen tief genug angebracht, damit du auf dem Boden sitzen kannst. Es wird nicht bequem sein, aber du wirst überleben. Ich habe meiner ehemaligen Chefin per FedEx eine Nachricht mit deinem Aufenthaltsort geschickt. Sie sollte morgen auf ihrem Schreibtisch liegen. Du wirst nicht länger als maximal zwei Tage ausharren müssen. Dann kommen sie, um dich abzuholen, und du kannst dich vor ihnen rechtfertigen anstatt vor mir. Ich will es nicht hören.«
    Becca kehrte ihm den Rücken zu. Seine Schritte entfernten sich. Es gab nichts mehr zu sagen.
    Sie inspizierte die Handschellen. Das Paar, das sie direkt an das Regal fesselte, war in einer Höhe angebracht, die es ihr erlaubte zu sitzen, wenn sie den Arm vollständig nach oben streckte. Wenn sie saß, hatte das andere Paar, das an der langen Kette befestigt war, gerade genügend Spiel, dass sie zwar nach dem Wasser und den Lebensmitteltüten hangeln, jedoch nicht ihre andere Hand berühren konnte. Gut geplant, so auf die Schnelle. Typisch Nick.
    Welche Ironie, dass ihre Affäre mit Handschellen begonnen hatte und mit Handschellen endete. Man sollte meinen, dieses Detail hätte sie ausreichend vorwarnen müssen, dass das Ganze in eine Katastrophe münden würde, aber nein. Becca und ihr komplizierter Männergeschmack.
    Ein hysterisches Lachen hätte sie beinahe überkommen, doch es erstarb abrupt, als die Tür in ihren rostigen Angeln behäbig ächzte und ins Schloss fiel. Damit schwand auch der letzte Rest Licht.
    Also würde ihre quälende Ungewissheit in Bezug auf Carrie und Josh und Nick gnadenlos anhalten, bis jemand einen FedEx-Brief öffnete und sich die Mühe machte, sie zu befreien. Bis dahin saß sie allein in der Finsternis fest.
    Oder vielleicht war sie nicht ganz allein. Sie hörte raschelnde, tapsende Geräusche, und ihr lief ein kalter Schauder über den Rücken. Die anderen Bewohner der Lagerhalle wunderten sich, wer da zu Besuch gekommen war.

30
    Nick lehnte sich gegen den Pick-up und bekämpfte die kalte Ohnmacht, die ihn zu überwältigen drohte. Sein Herz raste. Her mit dem verfluchten Riechsalz!
    Er befand sich auf altvertrautem Terrain: Mal wieder steckte er mächtig in der Klemme, während zusätzlich auf ihn eingeprügelt wurde. Aber nie zuvor hatte er sich deswegen so benebelt gefühlt. Er balancierte am Abgrund einer ausgewachsenen Panikattacke.
    Er versuchte, das Richtige zu tun, aber das gab es nicht. Er hatte noch immer nicht genügend Informationen, um zu wissen, was das Richtige war. Aber eins stand fest: Das hier fühlte sich nicht richtig an. Kein bisschen.
    Also scheiß auf den Plan! Sobald er in der Nähe von Cedar Mills wäre, würde er die McClouds anrufen und sie bitten, Becca abzuholen und sie den Behörden zu übergeben. Auf Nummer sicher gehen, denn beim FBI konnte man nie wissen. Bis dahin würde sie durchhalten. Sie war hart im Nehmen und würde schon zurechtkommen.
    Auf die Art konnte er seiner Verabredung mit Gevatter Tod mit klarem Kopf entgegenblicken. Dabei fiel ihm ein, dass er Tam kontaktieren musste. Er brauchte sämtliche Tricks, die er in seinem Ärmel unterbringen konnte, und sie war die trickreichste Braut, die er kannte. Abgesehen von Becca natürlich. Becca hatte sich den Hauptpreis verdient.
    Er stieg in den Wagen und legte den ersten Gang ein. Er musste