Spiel Satz Tod - Kriminalroman
den Alan gerade freigemacht hatte. Er lehnte sich nach vorn und nahm eine meiner Hände in seine. Sie waren warm, und die Berührung war unerwartet beruhigend.
»Das ist nicht immer so. Außerdem steht mir nicht jedes Mal eine der Verdächtigen so nahe«, fügte er hinzu, und in seinen Mundwinkel schlich sich ein trauriges Lächeln.
»Ich war keine Verdächtige«, protestierte ich.
»Das denkst du. Obwohl, auch ich habe dich bald ausgeschlossen.«
Er schaute mir voll ins Gesicht, seine blauen Augen blickten jetzt ernst und eindringlich. Diese Berührung, die Haarlocke auf seiner Stirn, die ausgeprägte Kinnpartie und seine breiten Schultern – all das schlug mich in seinen Bann. Ich musste jetzt sofort aufstehen oder mich zurücklehnen, doch ich saß da wie erstarrt.
Er fuhr fort: »Es ist meine Aufgabe, Menschen zu helfen, die sich in der schlimmsten Situation ihres Lebens befinden. Sie brauchen Antworten, und ich habe für sie das Puzzle zusammenzusetzen. Was ist meinem Bruder, meiner Frau oder meinem Kind tatsächlich passiert? War es ein Unfall oder Selbstmord? Wenn es sich um Mord handelt, dann muss ich den Mörder dingfest machen, um wenigstens ein Stück Gerechtigkeit herzustellen. Manchmal ist das sehr schwer, aber es ist wichtig. Und ich tue es gern.«
Über den letzten Satz staunte er wohl selber ein wenig, es war, als hätte er das noch nie auf diese Weise gesehen.
Seine Worte und sein Engagement ließen, was er da tat, in ganz neuem Licht erscheinen. Meine Achtung und meine Sympathie für ihn wuchsen. Ich wünschte, ich hätte das von der ungebührlichen Anziehung trennen können, die sich ebenfalls steigerte, je länger ich ihm so nahe war. Ich konnte förmlich spüren, wie mir die Hitze zu Kopf stieg.
»Jocelyn …«
»Colin …«
Wir sprachen fast gleichzeitig und verstummten beide. Ich versuchte meine Hand zurückzuziehen, aber er hielt sie fest.
»Nicht«, sagte er leise, aber bestimmt. »Sag jetzt nichts. Ich will bei dir eine Chance haben. Wir kennen uns noch nicht lange, doch du kannst nicht sagen, dass zwischen uns nichts ist. Das können wir nicht mehr ungeschehen machen.«
»Aber«, sagte ich und blickte zur Terrasse hin, wo Alan, in sein Telefongespräch vertieft, immer noch hin und her schritt.
»Das stört mich nicht.« Colin unterbrach mich. »Er stört mich nicht. Es ist mir egal, mit wem du dich triffst oder mit wem du verheiratet warst. Es interessiert mich nicht. Ich will, dass du mir eine Chance gibst.«
»Du kennst mich doch überhaupt nicht«, flüsterte ich.
»O doch. Ich weiß, du bist klug, du hast Humor und du bist lieb. Ich weiß, du bist eine hervorragende Lehrerin, deine Schüler lieben dich und würden für dich durchs Feuer gehen. Du hältst zu deinen Freunden, und das ohne Einschränkung. Und ich weiß, dass du mutig bist, geradezu tollkühn, aber, Gott helfe mir, ich mag auch das an dir.«
Langsam, als fürchtete er, eine heftige Bewegung könnte mich erschrecken, hob er seine Hand, strich über meine Wange und ließ sie dann sacht unter meinem langen Haar hinweg in meinen Nacken gleiten. Die Wärme dieser Berührung durchflutete meinen ganzen Körper und löste ein heftiges Verlangen aus. Meine Lippen öffneten sich, aber ich brachte kein Wort heraus.
Mit belegter Stimme fuhr er fort: »Du siehst doch, es ist mehr zwischen uns.«
Ich saß da und wagte mich nicht zu rühren, ganz Gefühl und ohne jeden Gedanken. Es dauerte viel zu lange. Dann plötzlich war ich wieder in der Realität angekommen. Ich sprang auf und warf dabei fast den Stuhl um, auf dem ich gesessen hatte.
»Nein!«, sagte ich. »Das … das spielt keine Rolle.«
Er stand ebenfalls auf und trat ganz dicht an mich heran. Ich spürte die Wärme, die von seinem Körper ausging. Oder von meinem?
»Für mich schon.«
Es war natürlich auch für mich wichtig. Da war nicht nur ein wunderbares Gefühl, sondern daneben die Angst, dass es hier um alles ging. Ich wollte Colin Gallagher, wie ich noch nie einen Mann gewollt hatte, aber ich war seit sechs Monaten mit Alan zusammen, der mir ebenfalls nicht gleichgültig war. Und ob nun Colin mich genügend kannte oder nicht, ich wusste kaum etwas von ihm. Von seinem Alltag, von alledem, was in einer Beziehung zählt. Alan stand auf meiner Terrasse, aber ich hätte mich am liebsten in Colins Arme geworfen und ihn auf den Fußboden meines Wohnzimmers gezerrt. Was nur bedeuten konnte, dass mit mir etwas nicht stimmte, und zwar etwas sehr
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