Spiel Satz Tod - Kriminalroman
Andererseits steckte Larry in einer Zwickmühle, und ich war sicher seine beste Kandidatin. Zudem war er so taktvoll, mich erst einmal zu fragen, statt es einfach anzuordnen, was er durchaus hätte tun können.
Widerwillig und überzeugt, dass ich es bald bedauern würde, sagte ich: »Okay. Ich kann das ein paar Tage machen. Aber im Ernst, Sie müssen bald einen richtigen Ersatz finden. Mit Trainingsarbeit kenne ich mich zu wenig aus, um auf längere Sicht eine gute Wahl zu sein.«
Larry wirkte erleichtert. »Selbstverständlich«, sagte er und eilte davon, bevor ich es mir anders überlegen konnte.
Als die Schüler meines Leistungskurses Weltgeschichte um 12.30 Uhr geräuschvoll das Klassenzimmer verließen, war ich sehr mit mir zufrieden. Ich konnte bereits sagen, dass ich hier eine angenehme Klasse voller kluger Schüler mit guter Lerneinstellung bekam. Die zwei, auf die ich ein Auge haben musste, und auch die drei Stillen, die die Antworten auf meine Fragen meist wussten, aber sich nicht meldeten, hatte ich bereits ausgemacht. Das Beste jedoch war, dass die Gruppendynamik stimmte und wir sicher gut miteinander auskommen würden.
Ich holte gerade meinen Mittagsimbiss aus der Schreibtischschublade, als Laura Esperanza ihren Kopf durch die Tür steckte.
»Hola, Señorita« , rief sie. »¿Quieres almorzar?«
Sie meinte wohl, ob ich mit ihr zusammen essen wollte. Lachend winkte ich sie herein. Laura war in Midland, Texas, geboren und trotz ihres Namens nicht mehr Spanierin alsich. Sie sprach Spanisch nicht nur mit einem schrecklichen Akzent, sondern verstand es auch noch schlecht. Das konnte peinlich werden, denn sie war eine der beiden Spanischlehrerinnen unserer Bonham Highschool. Im Schriftlichen war sie allerdings sehr gut, und ihre Schüler holten bei den Standardprüfungen stets gute Noten.
»Con mucho gusto. Adelante« , antwortete ich.
Sie stockte. »Was? Pardon, qué ?«
»Komm schon rein«, wiederholte ich auf Englisch und platzierte mein Lunchpaket auf dem Tisch.
»Das glaubst du nicht!«, stieß sie ohne Übergang hervor.
»Käme auf einen Versuch an.«
»Dieses kleine Miststück Nancy Wales treibt schon wieder ihre Spielchen.«
Ich musste lachen. Laura nannte Nancy nie anders als »dieses kleine Miststück«, vor allem, wenn wir unter uns waren. Das klang besonders drollig aus dem Munde einer Person, die selbst kaum 1,50 Meter groß war und nicht mehr auf die Waage zu bringen schien als mein Pudel.
Wir schoben ein paar Tische an der Seite des Raumes zusammen, wo man uns durch das Glasfenster in der Tür nicht sehen konnte und öffneten die zwei Dosen Dr. Pepper, die sie mitgebracht hatte. Jetzt packte Laura ihr Mittagessen aus – ein riesiges Sandwich mit Roastbeef, ein Päckchen Pommes frites, eine Banane, einen Becher Pudding und drei in Plastikfolie verpackte Cookies. Wie stets konnte ich mich nur wundern, wie eine so winzige Person das alles in sich hineinzustopfen vermochte. Kaum größer als eine Zwölfjährige, reichte mir Laura gerade bis zum Kinn. Ihre Arme und Beine waren dürr wie knorrige Äste. Vielleicht schoss die ganze Energie in das Haar, das ihr als dichte, glatte und glänzende Mähne vom Kopf bis zur Taille reichte.Ich fragte mich, wie um alles in der Welt sie es wusch und pflegte.
»Was hat Nancy denn diesmal wieder angestellt?«, fragte ich.
»Sie versucht das Kulturprogramm der Fremdsprachenabteilung zu hintertreiben. Sie denkt, das Theater gehört ihr allein, die blöde Nutte.«
Der Auftritt der Fremdsprachenschüler war Lauras Lieblingsprojekt. Jedes Jahr brachte sie die anderen Sprachlehrer durch Bitten, Flehen und Drohungen dazu, mit Gruppen ihrer mehr oder weniger interessierten Schüler eine Darbietung für die Bühne einzustudieren, die etwas mit einem anderen Land zu tun hatte. Der Renner war stets der Tangoklub, und auch vom Deutschklub konnte man erwarten, dass sich ein paar Jungen fanden, die Lederhosen anzogen und mit acht bis zehn Mädchen einen Volkstanz stampften. Sehr selten wurden echte Talente entdeckt. In einem Jahr spielte ein schlaksiger Junge mit einer abgeschabten Zwölf-Saiten-Gitarre auf einem klapprigen Hocker Malagueña so gut, dass er das Publikum, das zuvor schon fast ins Koma gefallen war, zu Standing Ovations hinriss.
»Was meinst du mit hintertreiben ? Sie kann euch doch nicht davon abhalten, ein Programm aufzuführen.«
»Nein, aber sie will, dass wir das in der Cafeteria machen. Oder in der Turnhalle. Wo wir wollen, nur nicht in
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